F: Das lässt sich angesichts des von dir Gesagten umstandslos auf deine Vorstellung eines palästinensischen Staates anwenden. Deine letzten Sätze konterkarieren doch so einige Ausführungen von dir weiter oben.
AH: Der Sicherheit halber: der palästinensische Staat (selbst in der bürgerlichen Version der PLO) ist kein völkisch-exklusiver Staat, aus dem 'die Juden’ vertrieben bzw. in dem sie minder berechtigt würden. Das ist der Unterschied zum zionistischen Staat.Davon abgesehen ist es aber auch so, daß es nicht die Palästinenser in ihrer Mehrheit sind (oder zumindest bis vor kurzem waren), die das Existenzrecht Israels in Frage stellten. Die PLO hat dieses längst anerkannt und ebenso wenn nicht theoretisch, dann doch praktisch fast alle arabischen Staaten. Es ist Israel, das sich immer mehr von den 1967 besetzten Gebieten einverleibt und selbst den palästinensischen Rumpfstaat als Reservat zu einer Farce macht. Zu behaupten, Israel sei real in seiner Existenz seit 1948 bedroht gewesen, heißt, die realen regionalen wie internationalen Machtverhältnisse zu verkennen. Wenn die Araber 1948 die Gründung Israels nicht anerkannt haben, dann nicht aus 'Antisemitismus', sondern weil der UN-Teilungsplan überhaupt nicht irgendwelchen demographischen Realitäten entsprach, sondern ein reiner Raubzug war, und weil es offensichtlich war, daß die zionistischen Pläne ohne die Massenvertreibung der Palästinenser nicht zu realisieren waren.
F: Was soll denn der Blödsinn mit den "demographischen Realitäten"? Zu deinen übrigen Ausführungen verweise ich auf die offenherzigen Antworten eines Abdallah Franghi auf die Fragen von 'konkret' in der aktuellen Ausgabe und stelle im übrigen fest, dass die lange Zeit im Raum stehende Vernichtungsdrohung durch etliche arabische Staaten Israel gegenüber durchaus nicht nur damit erklärt werden kann, dass Israel sich Gebiete einverleibt hat. Siehe oben.AH: Ich sehe, Du liebst keine Auseinandersetzungen mit Fakten. Die 'demographischen Realitäten’ waren die Tatsache, dass der den Juden von der UNO zugesprochene Teil Palästinas weit größer als ihr Anteil an der Bevölkerung war, aber natürlich viel zu klein, um daraus einen lebensfähigen Staat zu machen, weshalb die Zionisten, den (mehr symbolischen) Angriff der arabischen Nachbarstaaten auch sofort nutzten, um ihre Scholle abzurunden.Das Interview kenne ich nicht. Die Vernichtungsdrohung bezieht sich, wie Du ja selbst schreibst, auf den Staat Israel und nicht auf 'die Juden’, die ja bekanntlich überwiegend nicht dort leben. Im übrigen stelle ich Dir entgegen fest, dass die Vernichtungsdrohung allerdings mit den Erfahrungen der zionistischen Landnahme und der Kollaboration des Zionismus mit den Kolonialmächten - bzw. allgemeiner den imperialistischen Mächten - zu begründen ist.
F: Der Schlusssatz ist wieder die pure Schwarz-Weiß-Malerei. Ursache für den Konflikt ist eben nicht nur die Landnahme durch Israel.AH: : Lieber F. Ich habe das Gefühl, dass Du, wenn Dir zu einem meiner Argumente nichts einfällt, einfach von 'Scharz-Weiß-Malerei‘ sprichst. Selbstredend gibt es einen Unterschied zwischen Unterdrücker und Unterdrücktem. Das bedeutet natürlich keineswegs, dass der in dieser Beziehung Unterdrückte nicht seinerseits Unterdrücker in einer anderen Beziehung sein kann. Es ist einfach eine Tatsache, dass in Palästina nicht etwa die Palästinenser die dort ansässigen Juden ins Meer geworfen haben oder sich deren Felder und Häuser angeeignet haben, sondern andersherum. Offen gesagt kann ich nicht verstehen, wie ein intelligenter Mensch so tun kann, als wäre ihm das nicht völlig klar.Und hier komme ich noch mal auf die Herkunft der Juden zurück. Weder wurden je die marokkanischen oder jemenitischen Juden von den Palästinensern unterdrückt noch gar die aus Polen oder den USA. Und überhaupt: Das zionistische Projekt hat ursprünglich mit der Ungleichbehandlung der arabischen Juden überhaupt nichts zu tun. Ich bin mir sogar sicher, daß Theodor Herzl seine arabischen Glaubensbrüder völlig fremd waren und er an deren 'Befreiung' nicht einen ernsthaften Gedanken verloren hat. Er hätte sie von den von ihm in kolonialer Manier verachteten muslimischen Arabern gar nicht unterscheiden können. So bedauerlich also die Behandlung der arabischen Juden durch die muslimische Mehrheit hier und da gewesen ist, so wenig hat das etwas mit dem zionistischen Projekt zu tun.