Israels jüdisch-orthodoxer 'Ayatollah' Rabbi Ovadia Yosef, das religiöse Oberhaupt der Shas-Partei, hat seinesgleichen auf islamistischer Seite zumindest eingeholt. Im Dezember vergangenen Jahres zitierte die araberfeindliche und also antisemitische vermeintlich linke Zeitschrift 'Konkret' genüßlich einen islamistischen Prediger namens Ahmad Abu Halabiya, der seine Gläubigen wie folgt aufgehetzt habe: "Habt kein Mitleid mit den Juden, egal wo ihr seid, in welchem Land auch immer. Bekämpft sie, wo immer ihr seid. Wo immer ihr sie trefft, tötet sie." Jetzt sagte Rabbi Ovadia Yosef bei seiner Predigt zum Passa-Fest: "Es ist verboten, ihnen [den Palästinensern] gegenüber Erbarmen zu haben. Ihr müßt ihnen Raketen schicken. Vernichtet sie -- mit vergnügen - diese Üblen, Verworfenen."
Nachdem diese Äußerungen in der Tageszeitung 'Maariv' zitiert worden waren, beeilte sich Yitzhak Sudr, der Sprecher der Shas-Partei, die in der Knesset das Zünglein and der Wage ist und daher eine wichtige Kräft in Ariel Sharon's Regierung der nationalen Einheit, die Wogen zu glätten und behauptete, der spirituelle Führer seiner Partei habe nur "arabische Mörder und Terroristen" gemeint. Bekannt ist aber, daß der Rabbi schon zuvor die Araber generell als Schlangen bezeichnet hat. Er wurde auch mit folgendem alttestamentarischem Ausspruch zitiert, einem Ausspruch, der sich natürlich ursprünglich auf die nicht-jüdischen Stammesverbände zur Zeit Landnahme der Israeliten und Judäer, wie insbesondere die im nördlichen Sinai nomadisierenden und der Bibel zufolge schließlich von König Saul besiegten Amelikiter als die 'Erbfeinde' bezog: "Möge der Heilige Name Rache über die Araber bringen und dafür sorgen, daß ihre Saat verloren gehe und sie vernichten und bewirken, daß sie vom Angesicht der Erde getilgt werden." Der Likud-Minister Meir Sheetrit sagte zwar, die Äußerungen des Rabbis müßten verurteilt werden. Der palästinensische Informationsminister Yassir Abed Rabbo jedoch wies am 9.April darauf hin, daß das das dritte mal gewesen sei, daß Rabbi Ovadia Yosef offen rassistische Äußerungen von sich gegeben habe und daß sich weder seine Partei noch die Regierung dafür entschuldigt habe."
In der Tat sind die zitierten Erklärungen von Yitzhak Sudr und Meir Sheetrit eher als Versuche zu bewerten, die außenstehende Öffentlichkeit zu beruhigen. Die Äußerungen des Rabbi entsprechen nämlich vollauf einer bestimmten traditionellen jüdisch-orthodoxen Haltung zu Nicht-Juden (Goyim) überhaupt, wie z.B. der israelische Professor Israel Shahak schon 1981 in der Zeitschrift 'Khamsin' in einem längeren Beitrag über 'Die jüdische Religion und ihre Haltung zu Nicht-Juden' ('The Jewish religion and its attitude to non-Jews', 'Khamsin - Journal of Revolutionary Socialists of the Middle East' Nos. 8, 9. London 1981) dargelegt hat. Das von Prof. Shahak hier behandelte klassische oder orthodoxe Judentum ist nicht das der Bibel, sondern das des zwischen dem 3. Und 6. Jh. n.Chr. Verfaßten Talmuds, der die Kultur der unterdess praktisch ausschließlich in der Diaspora lebenden Juden vom hohen Mittelalter an bis teilweise -- so im Zarenreich -- Ende des 19.Jahrhunderts kulturell prägte. Anhand einer Vielzahl von Zitaten aus dem Talmud und autoritativen Kommentaren zum 'Halakhah', dem vom 9 Jh. an allgemein erzwungenen klassischen jüdischen Rechtkodex, die noch heute vorallem in Israel nachgedruckt werden, verdeutlicht Israel Shahak die Tatsache, daß alle Moralvorschriften der Bibel ausschließlich innerhalb der jüdischen Gesellschaft gelten und die Haltung des orthodoxen Judentums zu den 'Goyim' eine extrem abwertende ist und beispielsweise sogar Hilfeleistungen im Fall eines drohenden Todes eines Nicht-Juden ausdrücklich untersagt. Wenn es zu solchen Hilfeleistungen doch kommt, dann mit der ausschließlichen Begründung, daß die bestehenden Machtverhältnisse zwischen Juden und Nicht-Juden, im Falle der Verweigerung der Hilfe den Zorn der Nicht-Juden auf die Juden lenken würde und die Verweigerung der Hilfe diesen damit schade. In Kriegszeiten gilt natürlich auch das Verbot des aktiven Tötens Deshalb kommen etwa die Angehörigen der als häretisch betrachteten jüdischen Sekte der Karäer besonders schlecht weg, weil sie klein und machtlos ist. Im übrigen kommen unter diesem Gesichtspunkt die Palästinenser als in ihrer Mehrzahl muslimisch noch relativ gut davon, weil der Talmud den Islam immerhin als eine monotheistische Religion akzeptiert -- im Gegensatz zum Christentum mit seiner Dreifaltigkeit, dessen Angehörige und Kultstätten sich der besonderen rituellen Verachtung durch das orthodoxe Judentum erfreuen. Das gilt im übrigen ebenso für dessen mystizistischen Zweig, dem der Hassidim. In der grundlegenden Schrift des vom 'Lubavitscher Rebbe' von New York aus geführten 'Habbad Bewegung' etwa werden alle Nicht-Juden als Kreaturen des Satans bezeichnet. Der Knesset-Abgeordnete Shulamit Aloni wies darauf hin, daß die Propaganda dieser Sekte vorallem unmittelbar vor der israelischen Invasion im Libanon 1978 verstärkt worden sei, um israelische Ärzte und Krankenschwestern dazu zu bewegen, den verwundeten 'Goyim' ärztliche Hilfe zu verweigern.
Nun sind natürlich die meisten Israelis und ebenso die meisten Juden weltweit im engeren Sinne nicht mehr religiös und schon gar nicht orthodox oder Mitglieder hassidischer Sekten. Aber der Einfluß dieser Strömung geht sowohl auf Grund der Tatsache, daß Israels Anspruch auf Palästina letztlich ohne religiösen Bezug überhaupt nicht zu begründen ist, und ihrer politischen Rolle in Israel und der Diaspora weit über die Zahl ihrer Anhänger hinaus und beeinflußt insbesondere auch die Siedlerbewegung (Gush Emunim) und die Armee.
Dies negative Haltung dieser Strömung zu Nicht-Juden, die sich u.a. mehrfach in der theologischen Rechtfertigung von Massakern an palästinensischen Zivilisten niedergeschlagen hat, ist aber nicht nur ein Erbe der alttestamentarischen Stammesreligion und mehr noch des klassischen Judentums, sondern auch eine Widerspiegelung des durch den Kolonialcharakter des zionistischen Staates bedingten Rassismus im heutigen Israel. Der frühere israelische Ministerpräsident Yitzhak Sharon hatte die Palästinenser bereits als "Heuschrecken" bezeichnet, während der ehemalige Generalstabschef Eitan von ihnen als "unter Drogen stehende Kakerlaken in einer Flasche" sprach.