Es zeichnet sich nach der Sommerloch-diskussion über den Rechtsextremismus und der nachfolgenden Diskussion über ein NPD-Verbot eine weitere Verblödung der antifaschistischen Linken in Deutschland ab.
Als Anfang der 90er Jahre Pogrome und Brandanschläge an der Tagesordnung waren, formierte sich ein Betroffenheitsritual wie Lichterkerzen und Runde Tische durch das liberale und aufgeschreckte Bürgertum. Doch im Gegensatz zur heutigen Situation hatte man das Gefühl, daß immer noch der Wille bestand, wirklich etwas zu tun. Es wurde z. B. Schutz für bedrohte Flüchtlingsheime organisiert.
Auch damals schon waren die dahinterstehenden Initiativen meistens staatstragend, d. h. sie haben im Zweifelsfall die Polizei angerufen, oder haben massenweise Appelle an den bürgerlichen Staat verfaßt. Heute sind diese 'Gegen Rechts'- Appelle nur noch staatstragend, und von ihnen gehen keine wirklichen Initiativen mehr aus, obwohl die Bedrohung seitens der Faschisten wieder massiv zugenommen hat.
Das Hauptproblem besteht aber nicht darin, daß man angesichts mangelnder eigener Kraft den Staat um praktische Hilfe bittet, sondern darin, daß alle staatstragenden Initiativen es letztlich zum Ziel haben, von den wirklichen Ursachen von Rassismus und Faschismus abzulenken. An erster Stelle wird, und das spiegelt den im Wesentlichen kleinbürgerlichen Charakter der antifaschistischen und antirassistischen Bewegung wider, der gemeinsame Klassencharakter des Staates und des Faschismus als ein bürgerlicher verdeckt.
Da genau das auch von der Führung der Gewerkschaftsbewegung, die dieses Klassencharakters des Faschismus wegen der natürliche Träger des antifaschistischen Kampfes sein sollte, getan wird, indem sie die Basis, soweit sie das überhaupt tut, nicht als Klasse, sondern als Staatsbürger und 'anständige' Menschen, wenn nicht gar Deutsche mobilisiert, gilt es, insbesondere hier auch eine Politik zu entfalten, die dem sozialen Charakter der Gewerkschaftsbewegung als einer proletarischen entspricht.
So muß innerhalb der Gewerkschaften darum gekämpft werden, daß z.B. nicht im Namen des 'Antifaschismus' der Kündigungsschutz aufgeweicht wird. Wenn Faschisten in Betrieben offen Propaganda betreiben, müssen die Kollegen solidarisch eine Antwort geben und nicht den Chef anbetteln, endlich einzuschreiten. Auch Lohngefälle und rassistische Billiglöhne für unsere nichtdeutschen Kollegen müssen bekämpft werden, und zwar gegen das Kapital.
Es kann und es darf keine Illusionen in diese rassistische Regierung geben. Kein Wort ist diesem Haufen zu glauben, wenn sie gegen Rechts argumentieren, außer daß sie sich vielleicht um ihre eigene Pfründe oder die aktuellen Profite ihrer Auftraggeber Sorgen machen. Abschiebungen und die Unterdrückung der hier lebenden Nicht-Deutschen ist gegen die grundlegenden Interesse der Arbeiterklasse als ganze gerichtet. Zu fordern sind daher staatsbürgerliche Rechte für alle hier lebenden Immigranten und Flüchtlinge.
Die PDS spielt wie so oft auch im Bereichdes Antifaschismus eine unröhmliche Rolle. Ernsthafte Antifaschisten können nur noch mit einem tiefem Mißtrauen das Tun dieser sich 'sozialistisch' nennenden Partei verfolgen. Neben der unkritischen Teilnahme an den staatstragenden 'Gegen Rechts'-Happenings betreibt sie nationalistische Politik und strebt eine Regierungskoalition mit der rassistischen SPD an. Das Verhalten der PDS in Mecklenburg-Vorpommern ist als vorbildlich für reformistische Illusionen in den bürgerlichen Staat zu sehen. Nichts Ernsthaftes wird gegen Abschiebungen oder den Naziterror getan; stattdessen übt man sich in nichtssagenden Regierungsphrasen und trägt voll eine kapitalistische Kahlschlagpolitik mit. In vielen Bereichen hat man sich da die rassistischen und pro-kapitalistischen Grünen, die auf diesem Weg bereits den Sprung in den Schoß der SPD geschafft haben und wenn nötig auch der CDU schaffen werden, als Vorbild genommen. Trotzdem darf man nicht wie z. B. die 'Spartakist Arbeiterpartei Deutschlands' (SpAPD) daraus schlussfolgern, die PDS sei kein Feind des Faschismus mehr.
Gruppen aus dem Bereich der kleinbürgerlichen Linken, wie die Autonomen, aber auch Gruppen bzw. Organisationen, die sich auf ein wie auch immer definiertes revolutionäreres Verständnis berufen, hatten sich Anfang der 90er Jahre noch im großen und ganzen den Lichterketten bzw. den heuchlerischen Protest gegen die faschistische Gewalt entzogen. Doch längst sind auch diese Grenzen verwischt.
Für Ende Oktober waren in Düsseldorf und Dortmund an zwei aufeinanderfolgenden Wochenenden Aufmärsche der Faschisten angekündigt. In beiden Städten formierte sich Widerstand in zweifacher Ausführung. Der 'Aufstand der Anständigen', angeführt von NRW-Ministerpräsident Clement und dem Vorsitzenden des Zentralrates der Juden, Spiegel, sowie bekannte Lokalpolitiker, in Düsseldorf der zum rechten Flügel der CDU zählende OB Teufel, machten jeweils eine Großkundgebung, wo zwar viel geredet, aber nichts gesagt wurde.
Was will mensch auch von einem 'Aufstand' erwarten, der zum einen von öffentlich bekennenden Rassisten und Abschiebeministern angeführt wird, und zum anderen jede Gruppe, die den Naziaufmarsch verhindern will, als gewaltbereit und extremistisch diffamiert.
Grotesk war es ohne Frage in Düsseldorf. Die Route der Faschisten kreuzte am Rande den Kundgebungsplatz der 'Anständigen'. Die Polizei schirmte auch hier mit massiven Kräften und Aufwand den Raum für die Faschisten ab. Offener kann der Staat nicht zeigen, daß er den Faschisten immer eine Töre offen lassen wird. Gleichzeitig jedoch wurden die anreisenden Faschisten relativ rüde von der Polizei behandelt. Jeder einzelne Faschist wurde gefilzt, und etliche schon zu diesem Zeitpunkt abgeführt. Und als die Faschisten mal offen kundtaten, was sie so genau wollen: "Ruhm und Ehre der Waffen-SS!" schritt die Polizei ein, und brach das Spektakel ab.
Der scheinbare Widerspruch erklärt sich aus dem primären Ziel des Staates, nämlich dem, das Gewaltmonopol zu bewahren und zu demonstrieren. Die Anerkennung dieses Gewaltmonopols in Füllen, wo der Staates für opportun hält, es auch gegen Faschisten einzusetzen, legitimiert den Verzicht eines solchen Einsatzes gegen diese und seine Anwendung gegen die Arbeiterbewegung und antifaschistische Bewegung, sobald die Faschisten als Hilfstruppen gegen diese benötigt werden.
AntifaschistInnen wollten sich nicht mit dem oben genannten staatstragenden Protest zufriedengeben, und mobilisierten für eigene Aktionen. Das Ziel war klar: Den Naziaufmarsch verhindern! In Dortmund wurden von Anfang an massive Illusionen in den bürgerlichen Staat geschärt. In Presseerklärungen wurde an die Stadt und die Polizei appelliert, ihr Versprechen, etwas gegen Rechts zu haben, auch konsequent umzusetzen. Höhepunkt war die 5. Presseerklärung kurz vor dem Naziaufmarsch, die sich in einer absolut unterwürfigen Sprache an die Polizei wandte und sie bat, doch bitte nicht etwa die Antifaschisten zu bekämpfen, sondern die Nazis.
Das Schären von Illusionen in den bürgerlichen Staat seitens der Träger antifaschistischer Proteste hat eine katastrophale Auswirkung auf politische Auseinandersetzungen fernab von Nazis und Rassisten. Das Verständnis vom bürgerlichen Staat ist eines der wichtigsten Kriterien revolutionärer Politik.
Revolutionäre Kräfte konnten weder dem Dortmunder, noch dem Düsseldorfer Bündnis beitreten. In Dortmund in erster Linie wegen der Staatsgläubigkeit, und in Düsseldorf wegen einer katastrophalen Formulierung im Aufruftext.
Am Ende des Aufrufes stand da eine unglaubliche Konstruktion. 'Gewalt-frei' und 'kreativ' sollte der Naziaufmarsch verhindert werden. Und als Beispiel dafür sollte K”ln im Mai 1999 herhalten. Als dieser Punkt in den Aufruf aufgenommen wurde, wußte jeder, was damals passiert war, und trotzdem fand diese entwaffnende Formulierung Einzug in den Text.
In Köln wurde am 22. Mai 1999 gegen den Willen des bürgerlichen Staates ein Naziaufmarsch blockiert. Die Nazis kamen nur einige Meter weit, als antifaschistische Kräfte und die dortigen Bevölkerung ihre Ablehnung gegen die Nazis vor allem mit dem Werfen von Obst und Gemüse zeigten. Vereinzelt flogen auch Flaschen und Steine. Entschlossenes und kreatives Handeln und eine überraschte Polizei waren das Erfolgsrezept an diesem Tag, und nicht Gewaltfreiheit.
Daß sich die Revolutionäre trotzdem durchaus an diesen praktischen Aktionen beteiligen, ist offensichtlich. Aber sie tun das mit eigenen Parolen und unterschreiben keinen gemeinsamen politischen Aufruf, durch den suie nur die herrschende Verwirrung festigen würden.
In Dortmund waren die antifaschistischen Kräfte solange handlungsfähig und relativ stark, wie sie als geschlossene Demonstration versuchten, Polizeisperren zu durchbrechen. Mit der Zeit gelang es der Polizei, die Aktivisten voneinander zu trennen. Viele Kleingruppen irrten nun durch die Dortmunder Innenstadt von einer Polizeisperre zur nächsten. Jeder Versuch, irgendwo einen wunden Punkt in der Polizeiabsperrung zu finden, scheiterte an den starken Polizeikräften. In Düsseldorf wurde die Antifa-demonstration nach wenigen Metern gestoppt und eingekesselt. Ab diesem Zeitpunkt war klar, daß es keine geschlossene Demonstration mehr geben werde. Trotzdem konnten sich im Verlauf des Tages wieder größere Gruppen zusammenschließen und gemeinsam versuchen, den Naziaufmarsch zu blockieren. Unter diesen Aktivisten waren eine große Zahl von Gewerkschaftern und nicht-autonomen Kräften. Allen war klar, daß, was sie hier taten, illegal war und die Polizei jederzeit jeden festnehmen konnte. Als schließlich die nächste Polizeikette erreicht wurde, waren es vor allem Heißsporne der autonomen Bewegung, die dafür sorgten, daß sich aus dem Pulk an entschlossenen Kräften kein neuer Demonstrationszug bildete. Sie attackierten vollkommen grundlos die Polizeikette mit Steinen. Grundlos, weil einfach weit und breit keine Nazis waren, und es zu diesem Zeitpunkt auch nicht klar war, wo diese so genau von unserem Standort aus waren. Das Steinewerfen nahmen anrückende Polizeieinheiten zum Vorwand, nun Jagd auf Antifaschisten zu machen. Auch wenn klar ist, daß die Polizei keinen Vorwand braucht, um Massenrepression gegen Linke durchzuführen, so war es doch der kleinen Minderheit von Autonomen, die durch ihr Verhalten, diesen Versuch, geschlossen gegen den Naziaufmarsch vorzugehen, sabotierten. Militanter Antifaschismus ist notwendig, um die Nazis auf der Straße Niederlagen beizubringen. Aber dann sollte sich die Militanz in erster Linie gegen die Nazis richten, und nicht in ein unsinniges Scharmützel mit Polizisten enden.
Trotz alledem muß auch gesagt werden, daß es selbstverständlich ist, daß die Einstellung aller Verfahren gegen die Verhafteten gefordert werden muß!
Weder reformistische Volksfrontkonzepte, d.h. klassenübergreifende Bündnisse, deren Zustandekommen mit dem Verzicht auf arbeiterklassenspezifische politische Inhalte, Strategie und Taktiken erkauft werden muß, noch autonome Kleingruppenkonzepte können die Faschisten besiegen. In Hinblick auf volksfrontartige Bündnisse ist der wesentliche Grund dafür der, daß der Faschismus als Massenbewegung die des haltlosern und verzweifelten Kleibürgertums ist. Dieses sucht einen Rettungsanker -- entweder auf Seiten der Bourgeoisie oder der des Proletariats, den beiden einzigen Klassen der kapitalistischen Gesellschaft, die dieser einen eigenständigen Weg aufzeigen können. Wenn die Arbeiterklasse aber zeigt, daß sie politisch schwach ist, indem sie sich im Rahmen einer Volksfront dem politischen Programm einer Fraktion der 'demokratischen' Bourgeoisie anpasst, die die (kleinbürgerlichen) Massen bereits ins Elend gestürzt hat, kann sie nicht als Rettungsanker dienen und die kleinbürgerlichen Massen in die Arme der faschistischen Fraktion der Bourgeoisie.
Notwendig sind in erster Linie Aktionseinheiten der Linken und ArbeiterInnenbewegung. Die Arbeiterklasse muß mobilisiert werden. Es reicht nicht, einigen Gewerkschaftsbürokraten den Aufruf zum Unterschreiben zu geben, es ist notwendig die multiethnische ArbeiterInnenklasse in den Betrieben und auf der Straße zu mobilisieren.
In Düsseldorf rief der DGB mit zur 12 Uhr-Kundgebung auf. Einige Betriebsräte und Einzelgewerkschaften hielten sich aber nicht daran, sondern erklärten offen, daß sie um 9.30 Uhr mit den Linken zusammen den Naziaufmarsch verhindern wollten. Das ist ein Anfang, aber es reicht bei weitem nicht. RevolutionärInnen müssen auf einen Bruch der Arbeiterbasis von den reformistischen Führungen hinarbeiten und konkrete Chancen dafür nutzen. Eine antifaschistische Aktionseinheit ist ein taktisches Mittel, entlang konkreter Aktionen diesen Bruch zu fördern, indem man in ihrem Rahmen die Basis gegen die reformistische Führung zur Verhinderung faschistischer Aufmärsche führt. Öffentliche Aufrufe an die Gewerkschaftsführung, zu konkreten antifaschistischen Maßnahmen und nicht nur symbolischen Alibiveranstaltungen zu mobilisieren, sind dabei notwendig, um die Basis so breit wie einzubeziehen, oder gegebenfalls von der unwilligen Führung loszubrechen.
Gleichzeitig schließt die Aktionseinheit natürlich auch keine Kräfte aus, die aus nur humanistischen oder sonstigen nicht klassenorientierten Gründen dem Faschismus entgegentreten wollen. Ohne daß die Arbeiterklasse jedoch umfassend als Klasse mobilisiert wird, ist ein Erfolg im antifaschistischen Kampf letztlich nicht möglich. Ihre Mobilisierung verbietet es jedoch, den Kampf diesen nicht-proletarischen Kräften zuliebe auf den Rahmen der bürgerlichen Ausbeuterordnung zu begrenzen.