F: Wieder nur Schlagworte: "Prozionistische Linke", "Abteilung des europäischen Imperialismus", "kolonialistische Linke", "umgelenkte Sozialchauvinisten". Wenn du das Geifern kurz mal einstellen könntest und deinem Denken und Sortieren ein paar Nuancen und Facetten, um nicht zu sagen: Differenzierungen, gönnen würdest, sähe die Welt nicht so schwarz und weiß aus, wie du sie malst. Sie ist es nämlich nicht, oder nur dann, wenn man auf gewisse Rahmenbedingungen keinen großen Wert legt.
AH: Ich sehe, dass Du keine klaren Worte über klare Dinge magst, sondern Dich lieber hinter das 'Standardargument’ flüchtest - 'Alles ist so kompliziert’. Der einzige Fall, wo Du das bezeichnenderweise nicht tust, ist der 'Antisemitismus’, der natürlich in Wahrheit ebenso nuancen- und facettenreich ist und (wenn man einmal den mir ansonsten wichtigen Gesichtspunkt, dass er eine reaktionäre Sauerei ist, beiseite läßt) auch eine durchaus 'differenzierte’ Betrachtungsweise gebrauchen kann.Wenn die grundlegende Definition des Linksseins die Ablehnung der Ausbeutung und Unterdrückung des Menschen durch den Menschen ist, kann es keine 'linke' Unterstützung für den Staat Israel geben, der eben in der Realität nicht nur ein Fluchtpunkt verfolgter Juden ist, sondern zu dessen Definition die Unterdrückung und Verfolgung der Palästinenser notwendigerweise gehört.
F: Manchmal ist es einfach nur die Betonung. Ich hätte Letzteres genau andersherum formuliert: Dir würde ich entgegen halten, dass Israel eben nicht nur PalästinenserInnen unterdrückt, sondern eben auch ein Fluchtpunkt für verfolgte Jüdinnen und Juden ist. Und das hat man bitte auch nicht nur am Rande zu erwähnen.AH: Israel ist auch Fluchtpunkt für verfolgte Juden, darüber hinaus aber auch für Juden, die einfach nationalistisch sind. Es ist nicht wahr, dass heutzutage etwa in den USA Juden nennenswert verfolgt würden. Dennoch stellen relativ junge amerikanische Juden einen nicht unerheblichen Anteil der militantesten Siedler. Darüberhinaus: Inzwischen sind die meisten jüdischen Israelis 'orientalische Juden’ Deren Situation war zwar nicht immer einfach, aber von Land zu Land und in den verschiedenen historischen Epochen durchaus unterschiedlich. Ihre Ausreise oder Flucht nach Israel hat an aller letzter Stelle mit einem ewig währenden 'Antisemitismus’ in ihren Heimatländern zu tun.Weiterhin: Isaac Deutscher hat in seinem Buch 'Die ungelöste Judenfrage’ einen Aspekt des Problems so auf den Punkt gebracht: Die Tragik liegt darin, dass ein Volk (die Juden) aus dem Fenster geworfen wurde und auf ein anders Volk (die Palästinenser) gefallen ist. Das ist richtig, aber das zeigt auch, dass der Zionismus nicht die Lösung des selbstredend existierenden Problems sein kann, denn auf dieser Basis kann es letztlich nur um eine Machtfrage gehen. Die Juden sind nur so lange sicher, wie sie die Araber unterdrücken können (und wie die Imperialisten daran ein Interesse haben). Ich kann nicht finden, dass das eine Perspektive ist, auf die sich Linke einschwören sollten. Dein Argument, dass das nun mal das Ergebnis des Versagens der Arbeiterbewegung sei, eine internationale Revolution zu machen, hat vom Standpunkt des bürgerlichen und daher außen stehenden Beobachters etwas für sich, ist aber vom Standpunkt eines Sozialisten ein völlig defätistisches Argument. Es macht nämlich aus der traurigen Niederlage eine Tugend - oder geht zumindest davon aus, dass diese Niederlage endgültig sei.
Wer zu Israel (wie es existiert und als zionistischer Staat aller Juden dieser Welt nicht anders existieren kann) ja sagt, muß auch zur Unterdrückung und Vertreibung der Palästinenser und die Rolle dieses Staates als Bastion des Imperialismus in der Region (und darüber hinaus z.B. auch in Lateinamerika) ja sagen... [Um diesen Diskussionsfaden weiterzulesen, klicken Sie hier.]