F: Wieder nur schwarz und weiß. Ich kann unter den gegebenen Bedingungen - jenseits der Weltrevolution - durchaus das Existenzrecht Israels bejahen, und das tue ich auch. Das schließt für mich nicht notwendigerweise mit ein, dass PalästinenserInnen unterdrückt und vertrieben werden müssen. Ein friedliches Zusammenleben, wie es etwa Teile der nichtzionistischen israelischen Linken fordert, und die Existenz zweier Staaten ist auch unter den gegebenen kapitalistischen Rahmenbedingungen durchaus denkbar. Deshalb gebe ich weiter gehende Ideen, Ziele und Vorstellungen nicht auf. Die Lösung ist natürlich die weltweite Abschaffung - besser: Aufhebung - aller Staaten. So lange das nicht in greifbarer Nähe ist - und diesem Faktum habe ich mich zu stellen - zählen tagespolitische Losungen und Lösungen wie die genannte eine ganze Menge.

AH: Hast Du mal auf eine Landkarte geguckt? Wie soll denn ein Staat in den 67er Gebieten überleben außer als überfülltes Eingeborenreservat, vor allem, wenn die Flüchtlinge sich alle dort knubbeln würden? Die Rückkehr der Flüchtlinge in ihre ursprünglichen Gebiete wäre durchaus ohne die Vertreibung der jüdischen Bevölkerung Israels möglich, würde aber dem zionistischen Charakter Israels (wo schon heute 20% der Bevölkerung Araber sind) die Basis entziehen. Wenn die Mehrheit der Zionisten sich darauf nicht einlässt, ist sie nur konsequent. Aber das ist es, worum sich die Diskussion dreht: der zionistische Charakter des Staates.

Wer sich in erster Linie als Deutscher fühlt, mag sich zu tagespolitischen Losungen verpflichtet fühlen, nicht aber wer sich in erster Linie als - hoffentlich - anständiger Mensch und gar als revolutionärer Internationalist versteht. Die Lösung des Konfliktes in Palästina ist nur möglich durch das gleichberechtigte Zusammenleben von Menschen jeglicher Religion und Herkunft (muslimische, christliche Palästinenser, europäische, amerikanische und arabische Juden) und damit die Liquidierung des zionistischen Charakters des Staates Israel. Ob der gemeinsame Staat hinterher Israel, Palästina oder Bimbam heißt, ist dabei nebensächlich.

F: Siehst du, das Letztere sehe ich auch so - wobei deine Wortwahl mir Anlass böte, dich in die Nähe von Antisemiten zu rücken.... Man kann auch andere Vokabeln bemühen als "Liquidierung". Ist dir eigentlich nicht klar, zu wessen Wortschatz solche Begriffe hauptsächlich gehören? Du klammerst dich immer stark an die denotative Ebene von Wörtern. Die haben aber zumeist auch eine konnotative, das heißt, die Botschaft, die transportiert werden soll, wird auch durch die Wahl der Termini bestimmt. Du bist diesbezüglich ziemlich ignorant, finde ich. Und das sage ich deshalb, weil ich weiß, was du ausdrücken willst (oder es zumindest wohlwollend annehme). Für viele Andere ist das nicht so klar, und deshalb brauchst du dich nicht zu wundern, wenn du bisweilen heftigste Schelte einstecken musst...
AH: Offen gesagt: political correctness in der Wortwahl interessiert mich überhaupt nicht. Die ganze political correctness-Bewegung ist bis in die Knochen bürgerlich.

Die jüdischen Israelis, die das Gesagte nicht akzeptieren, werden das Land ebenso verlassen müssen, wie die Buren in der RSA, die die Zerschlagung der Apartheid nicht akzeptiert haben. Wie viele Juden in Israel noch Platz haben werden, wenn die vertriebenen Palästinenser wieder in ihre Orte und Häuser zurückgekehrt sind, ist eine andere Frage. Sicher wird dann Israel seinen exklusiv jüdischen Charakter schon aus demographischen Gründen verlieren.

F: ...Siehe oben. Und an dieser Stelle müsste ich eigentlich noch heftiger werden - deine Ausführungen klingen wie eine unverhohlene Drohung. Ob du dich als Deutscher fühlst oder nicht...

AH: Fühle mich als Deutscher, weil ich einer bin, aber nicht in erster Linie.

F: ...Solche Sätze sind eine Frechheit. Sie lassen mich vermuten, dass es dir egal ist, dass Jüdinnen und Juden nicht nur in ferner revolutionärer Zukunft nicht mehr von Antisemitismus behelligt werden, sondern bereits heute ein Refugium benötigen. Für dich scheint es das wichtigste zu sein, dass PalästinenserInnen zurück auf ihre angestammte Scholle können (nebenbei: wie, bitteschön, begegnen ihnen eigentlich nicht wenige der vermeintlichen "Bruderstaaten"?)...

AH: 1. Die Sicherheit der Juden ist seit Gründung des Staates Israel dort stärker bedroht als irgendwo sonst auf der Welt; 2. es geht nicht um die angestammte Scholle, sondern um die Beendigung der Rechtlosigkeit und Depravierung; 3. die arabischen 'Bruderstaaten’ - von einem palästinensischen Bekannten einmal treffend als 'die Wächter Israels’ bezeichnet - sind samt und sonders neokoloniale Gebilde unter Herrschaft einer nichtsnutzigen Bourgeoisie. Ich will es nicht beschwören, aber es scheint mir, dass alleine Jordanien im Schwarzen September schon mehr Palästinenser umgebracht hat als die Zionisten. Davon abgesehen ist es natürlich auch nicht deren Aufgabe, das Geschäft des Zionismus zu besorgen (obwohl sie das u.a. durch Maßnahmen gegen Juden in ihren L& 3228ndern teilweise durchaus getan haben.)

F: ...eine originär nationalistische Sichtweise. Und dass Israel angesichts des von dir geschilderten Szenarios dann 'seinen exklusiv jüdischen Charakter schon aus demographischen Gründen' verliert, scheint dir offensichtlich ein Schritt in die richtige Richtung zu sein. Um es klar zu sagen: Ohne mich; nicht unter den gegenwärtigen Bedingungen! Genau das, was du da schreibst, halte ich für die klassische Variante von linkem Antisemitismus...

AH: Mit anderen Worten: Was Du oben über Deine Opposition gegen Vertreibung, Unterdrückung und Verelendung der Palästinenser gesagt hat, ist nicht das Papier wert, auf dem es geschrieben steht; denn all das ist unvermeidbare Folge des völkisch-nationalistischen Charakters Israels. Was Du im Kern sagst, ist: Wenn die Araber (Palästinenser) erklären, mit den in Israel lebenden Juden auf gleichberechtigter Weise in einem laizistischen (also weder islamischen noch jüdischen) Staat zusammenleben zu wollen, dann glaube ich ihnen nicht. Angesichts des diesbezüglichen Zweifels ziehe ich es vor, wenn Millionen von Palästinensern vertrieben bleiben und andere in Flüchtlingslager innerhalb und außerhalb Palästinas dahinvegetieren. Aber ich bezweifele auch, dass eine kommunistische Revolution in der Region (sei sie stalinistisch oder trotzkistisch - andere Strömungen sind praktisch außerhalb der imperialistischen Länder nicht organisiert) nicht antisemitisch sein würde. Deshalb bin ich zwar theoretisch gegen die nationale Unterdrückung (wessen auch immer) aber praktisch für die nationale und soziale Unterdrückung durch den Zionismus (per Implikation: durch den hinter ihm stehenden Imperialismus). Das meine ich mit 'kolonialistischer Linken’ - links mit dem Mund, kolonialistisch in der Praxis.

F: ...Auf einen Nenner gebracht, sagst du nichts Anderes als: Juden raus aus Israel; Platz für Palästina. Und auf der Grundlage soll ein Zusammenleben möglich sein?

AH: Du legst es darauf an, alles falsch zu verstehen, nicht? Möglicherweise wird ein Teil der Juden - vornehmlich wohl die, die aus ideologischen Gründen erst vor kurzem eingewandert sind, z.B. aus den USA, Israel verlassen, keineswegs jedoch, ’die Juden’. Es werden auch nicht alle palästinensischen Flüchtlinge/Vertriebene in die 48er Gebiete zurückgehen.

Aber ich frage mich, wie gut es deutschen 'Antinationalen' ansteht, irgendwo auf der Welt einen völkisch-exklusiven Charakter eines Staates zu verteidigen. Das sollte doch eher das Programm von Nazis sein... [Um diesen Diskussionsfaden weiterzulesen, klicken Sie hier.]