Arbeiter und Arbeitslose - eine Klasse
Gemeinsam gegen Ausbeutung und Ausgrenzung!

Kolleginnen, Kollegen!

Seit einiger Zeit habt Ihr nach französischen Vorbild beschlossen, Euch Eurer Arbeitslosigkeit nicht länger zu schämen, sondern Eure Rechte zu fordern. Dafür demonstriert Ihr vor den Arbeitsämtern.

Dieser Kampf ist nicht nur berechtigt, sondern unbedingt notwendig. Als Kommunisten unterstützen wir jeden Kampf der Arbeiterklasse gegen jede Ausbeutung und jede Form sozialer und politischer Unterdrückung, weil wir selbst keine Kapitalisten, sondern Lohnarbeiter und teilweise auch arbeitslose Lohnabhängige sind.

Die Massenarbeitslosigkeit ist neben Krieg und Faschismus eines der ärgsten Verbrechen des kapitalistischen Systems gegen die arbeitende Bevölkerung, d.h. das Verbrechen einer verschwindenenden Minderheit der Menschheit gegen die überwältigende Zahl der Menschen, von deren Arbeit sie ausschließlich lebt. Wie Krieg und Faschismus dient die Arbeitslosigkeit - d.h. die Schaffung einer industriellen Reservearmee - der Spaltung der weltweiten Arbeiterklasse, ihrer Unterwerfung und hat so das Ziel, immer mehr Profit aus der Arbeiterklasse herauszupressen und noch mehr Reichtum in den Händen der Kapitalisten zu konzentrieren. Genau darin besteht der einzige wirkliche Zweck des Kapitalismus. Die Arbeitslosigkeit geht deshalb die Arbeiter, die noch Arbeit haben, ebenso an, wie diejenigen, die sie bereits verloren haben. Sie hängt ständig wie ein Damoklesschwert über uns und bedroht unsere grundlegendsten Lebensinteressen.

Kollegen und Kolleginnen!

Die Proteste sind gerechtfertigt und wir beteiligen uns an ihnen. Die Proteste werden aber heute überwiegend so organisiert und vorallem politisch instrumentalisiert, daß sie keinen Erfolg haben können.

Der Aufruf der Gewerkschaftsbürokratie etwa zum 3. Aktionstag versuchte uns weiszumachen, "die Politik", mit anderen Worten, die gegenwärtige Regierung, sei der Hauptschuldige an der Arbeitslosigkeit. Damit versucht sie, den Wahlkampf des Herrn Schröder (SPD) zu unterstützen. In Wirklichkeit sind jedoch Staat und Regierung nur Organe der herrschenden Klasse. Im Kapitalismus - zur Einlullung seiner Opfer auch "freie Marktwirtschaft" genannt - sind das die großen Kapitalisten.

Wer z.B. die Politik von Schröders Vorbild Tony Blair in England betrachtet, weiß, daß eine SPD-Regierung generell die Angriffe auf die Interessen der arbeitenden Bevölkerung im Interesse der Profite des Kapitals unvermindert weiterführen wird. Die Politik der SPD-Landesregierungen in der BRD zeigt das gleiche. Schröder hat bereits das von ihm als "das marktwirtschaftlichste Programm der SPD-Geschichte" bezeichnete Wahlprogramm unter einen "Finanzvorbehalt" gestellt, mit anderen Worten als pure Demagogie enthüllt, weil seine Regierung nicht einmal für die dort genannten Reförmchen Geld haben wird. Aber auch, wenn Schröder kein besonders rechter Vertreter seiner Partei wäre: Jede Partei, die wie die SPD auf dem Boden des Kapitalismus steht, kann sich unter den Bedingungen der aktuellen weltweiten Krise des Kapitalismus und der damit verbundenen verstärkten internationalen Konkurrenz nur an der Umverteilung von unten nach oben beteiligen. Die Geschichte aller reformistischen Parteien und auch die ihrer am weitesten links stehenden Kräfte hat das erwiesen. In solchen Zeiten führen die ehemals reformistischen Parteien nur noch "Reformen" auf Kosten ihrer traditionellen sozialen Basis durch.

Wahr ist aber, daß die notwendigen Gelder durchaus da sind; sie befinden sich nur auf den falschen Konten. Während das Kapital seit Jahren einen immer größeren Anteil des "Volkseinkommens" an sich bringt, ist sein Beitrag zum Steueraufkommen auf den niedrigsten Stand seit 1949 gesunken. Man muß kein Marxist sein, um zu wissen, was z.B. auch der berühmte russische Schriftsteller Leo Tolstoi wußte: "Großer Reichtum wird nur durch das Elend der Armen erworben".

Es ist richtig, die heutigen und zukünftigen Handlanger des Kapitals in Bonn oder Berlin mit allen nötigen Mitteln anzugreifen. Aber es ist falsch, die Auftraggeber und ihr Wirtschaftssystem nicht anzugreifen!

Die Gewerkschaftbürokratie hat sich an die Spitze der Arbeitslosenbewegung gestellt, um dort das zu tun, was sie auch an der Spitze der Arbeiterbewegung überhaupt tut, nämlich zu verhindern, daß das kapitalistische Wirtschaftssystem, in dem sie sich so gut eingerichtet hat, angegriffen wird.

Früher, in der Zeit des Nachkriegsbooms, als es den Kapitalisten außergewöhnlich lange gut ging, konnten durch freundliches Verhandeln zwischen Gewerkschaftsführung und den Bossen eine Reihe Verbesserungen für die Arbeiterklasse erzielt werden. Das ist lange her und kommt nicht wieder. Diese Verbesserungen müssen jetzt gegen die ständigen Angriffe des Kapitals und seines Staates mit Klauen und Zähnen verteidigt werden. Nennenswerte Reformen können aber nur noch erreicht werden, wenn dem kapitalistischen System selbst der Kampf angesagt wird, wenn die Kapitalisten gezwungen werden, etwas abzugeben, um nicht alles zu verlieren. Gezwungen werden können sie dazu nur von der Klasse der Lohnarbeiter, ohne deren Arbeit es keine Profite gibt. Solange der Kapitalismus aber überlebt, sind auch solche Erfolge nicht gesichert.

Den Kampf der Arbeitslosen und den von ihm nicht zu trennenden Kampf der beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen für einen Regierungswechsel von einer prokapitalistischen Partei zur anderen prokapitalistischen Partei zu instrumentalisieren, bedeutet, ihn in die Niederlage zu führen und auf dieser Grundlage die Arbeiterkraft in ihrem Kampfeswillen überhaupt zu lähmen.

Die Frage ist nicht die, ob unsere Forderungen angeblich z.Z. nicht realisierbar sind, sondern ob ihre Realisierung notwendig ist, um unsere Probleme zu lösen. Deshalb müssen wir konkrete Forderungen stellen, die sich nicht im Rahmen der Profitinteressen der Bourgeoisie bewegen:

Bonn, Juni 1998

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