Sieg der palästinensischen Intifada!

Seit über einem Monat befinden sich überall in Palästina Demonstranten in einem harten Kampf gegen die Besatzerkräfte des Staates Israel. Das ist vielleicht der umfassendste Kampf seit der vorigen ‘Intifada' vor zehn Jahren. Mit Maschinengewehren, Raketenwerfern und Kampfhubschraubern haben die Israelis über 180 Palästinenser ermordet, ein Drittel davon Kinder, und Tausende weiterer verwundet, während sie selbst nur eine Handvoll Soldaten verloren haben. Dennoch haben die weit unterlegenen Palästinenser nicht aufgehört zu kämpfen.

Dreizehn der Toten waren sogenannte israelische Araber, d.h. Palästinenser, die in Israel im engeren Sinn leben. Als diese israelischen Bürger zweiter Klasse gegen ihre eigenen ghettoartigen Lebensumstände und in Solidarität mit ihren Brüdern und Schwestern in der Westbank und in Gaza rebellierten, haben die Israelis in wahrhaftiger Apartheidsmanier reagiert, indem sie wahllos in die Menge schossen, und mit von der Polizei unterstützten Pogromen israelischen Zivilisten. Die brutale Antwort hat gezeigt, daß der Aufstand bewiesen hat, was die Israelis lieber vergäßen: daß jede Stadt und jeder Kibbutz den Platz einer zerstörten oder enteigneten palästinensischen Stadt oder Ortschaft markiert, daß "ganz Israel 'besetztes Gebiet' ist".

Der 'Friedensprozeß' hat die Explosion erzeugt

Der Auslöser dieser Explosion war eine Provokation eines führenden israelischen Politikers, Ariel Sharon, der schon 1982 für das Massaker an 2000 Palästinensern in den libanesischen Flüchtlingslager Sabra und Shatila verantwortlich war. Mit einer bewaffneten Eskorte von 1.000 israelischen Soldaten "besuchte" Sharon am 28. September einen Gottesdienst in der Al-Aqsa Moschee. Aber das Schießpulver war schon seit mehr als sieben Jahren durch den "Friedensprozeß" angehäuft worden, der mit dem Oslo-Abkommen begonnen hatte.

Unter dem Deckmantel angeblicher Friedensverhandlungen hatte sich die Bevölkerung in den israelischen Siedlungen in der Westbank und in Gaza verdoppelt und über ein dreimal so großes Gebiet ausgedehnt. Überall in den Gebieten sind nur jüdischen Siedlern und der israelischen Armee offenstehende 'Zugangsstraßen' angelegt worden, die das Gebiet in voneinander isolierte und nicht überlebensfähige Landflecken zerschneiden und so palästinensische Dörfer und Städte durch eine Reihe von Checkpoints und Straßensperren von einander isolieren.

Auf eben dieser kolonialen Grundlage sah das Oslo-Abkommen die Etablierung der "Souveränität" für die Palästinenser vor. Von den Palästinensern wurde nicht nur verlangt, daß sie ihren Anspruch auf jene von Israel eingenommenen 78% des palästinensischen Bodens aufgeben und auch die fortgesetzte Besetzung von 59% der Westbank akzeptieren, sondern sie sollten das auch noch tun, ohne irgendeine Kontrolle über ihren Flughafen, irgendeine internationale Grenze oder jegliche Bewegungsfreiheit zwischen den zerstreut liegenden Bruchstücken des palästinensischen Bantustans zu erhalten. Arafats 'Palästinensische Nationale Behörde' (PNA) erhielt als ihre primäre Aufgabe die Unterdrückung der palästinensischen Militanz im Inneren. Und die Millionen von Palästinensern in der Diaspora konnten auf nicht auf mehr hoffen als daä eine symbolische Handvoll von ihnen das Recht erhalten würde, in ihre Heimat zurückzukehren.

Die israelische Regierungspropaganda und ihre Entsprechungen in den imperialistischen Ländern und insbesondere in den USA, bemühen sich mächtig, den aktuellen Aufstand als von Yassir Arafat mit dem Ziel gelenkt, von Israel mehr Zugeständnisse zu erhalten, darzustellen. Aber es ist offensichtlich, daß sich diese Erhebung fast ebenso sehr gegen Arafat und seine Kollaborateursrolle richtet wie gegen die Israelis. Wenngleich es während der Proteste vorgekommen ist, daß palästinensische Polizisten ihre Gewehre gegen israelische Soldaten gerichtet haben, scheinen sie sich doch in den meisten Fällen fern und neutral gehalten zu haben, während ihr Volk von den Israelis massakriert wird. In den Fällen, in denen es die Israelis mit Gewehrfeuer zu tun hatten, kam dieses meistens von Straßenkämpfern, die Arafat und seine Polizei entsprechend den Bestimmungen des Oslo-Abkommens zu entwaffnen versucht hatten.

Selbst nachdem die Israelis eine Strategie gezielter Schüsse auf Kader von Arafats ‘Fatah' und auf Polizisten begonnen hatten, wurde dieses Muster beibehalten. Seit dem Sondertreffen in Sharm el-Sheikh in Ägypten im vergangenen Monat haben palästinensische Polizeioffiziere angefangen, sich mit CIA-Agenten, darunter deren Präsidenten George Tenet, darüber zu beraten, wie man den Aufstand unter Kontrolle bekommen könnte.

Arafats gesamte Strategie läuft nun darauf hinaus, zur Bildung einer UN-unterstützten Kraft aufzurufen, die die Palästinenser vor den Israelis 'schützen' und die aktuellen Grenzen des PNA-Bantustans kontrollieren soll. Selbst diese Forderung ist von den USA und von Israel kategorisch abgelehnt worden. Aber selbst, wenn es schließlich dazu kommen sollte, daß eine solche Kraft geschaffen würde, würde sie eine Gefahr für die palästinensischen Massen bedeuten: sie hätte die Aufgabe, sie zu entwaffnen, und würde dazu dienen, die gegenwärtigen unhaltbaren Grenzen definitiv festzulegen und die Palästinenser unter ihrem ‘Schutz' in Isolierung und wirtschaftlicher Rückständigkeit zurückzulassen.

Gegen Imperialismus und Zionismus

Das zentrale Problem ist nicht das Oslo-Abkommen. Dieses ist selbst nur eines von vielen Symptomen des grundlegenden Problems, der Enteignung des palästinensischen Volkes als ganzem und der Ablehnung seines Rechtes auf nationale Selbstbestimmung. Der Zionismus, d.h. der israelische Nationalismus, beruht auf der gewaltsamen Durchsetzung der Vorstellung, daß nur Juden in Palästina nationale Rechte haben. Selbstbestimmung der Palästinenser würde das Recht der im Exil lebenden Palästinenser erfordern, in ihre Heimat zurückzukehren, und für Flüchtlinge innerhalb und außerhalb Palästinas, wieder in ihre Häuser zu ziehen. Sie würde notwendigerweise die Eliminierung des Staates Israel als eines durch religiöse und rassische Exklusivität gekennzeichneten separaten jüdischen Staates zugunsten eines einzigen vereinten palästinensischen Staates mit demokratischen Rechten für all seine Bürger implizieren.

Der Kampf, um das zu erreichen, muß notwendigerweise ein antiimperialistischer sein, denn Israel dient als ein stark finanzierter schwerbewaffneter Außenposten der USA, der mit dazu beiträgt, die Kämpfe der Massen zu unterdrücken. Israel hat diese Rolle wiederholt gut gespielt, so im Massaker des ‘Schwarzen September' 1970, als der israelische MOSSAD die haschemitische Monarchie in Jordanien gegen den Massenaufstand unterstützte. Daher geht der Kampf über das, was vom bestehenden kapitalistischen System erlaubt werden könnte, hinaus und verlangt eine Führung durch die Arbeiterklasse und eine wirklich sozialistische Lösung.

Nationalismus ist keine Antwort

Im Gegensatz dazu steht die wiederholte Bereitschaft der kleinbürgerlichen nationalistischen Führungen der Palästinenser, sogar ihr eigenes begrenztes nationalistisches Programm zu verraten. Schon 1988 auf dem Höhepunkt der letzten Intifada signalisierte Arafats 'Palästinensische Befreiungsorganisation' (PLO), indem sie auf ihr früheres Programm eines demokratischen und säkularen Staates in ganz Palästina verzichtete, daß sie bereit sei, mit Israel und dessen US-amerikanischen Unterstützern zu einem Kompromiß zu kommen. Das Oslo-Abkommen und die heutige Schlächterei, die aus diesem resultiert, sind nur die letzten Ereignisse in einer langen Kette von Verrat, die bis auf den 'Schwarzer September'-Aufstand zurückreicht, den zu unterstützen sich die PLO mit dem Hinweis auf die Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten eines arabischen "Bruder"-Regimes weigerten.

Heute stellen sich islamistische Gruppen wie Hamas, Islamischer Djihad und die libanesische Hezbollah in Palästina und der Region als alternative Führungen zu Arafats Fatah, der Hauptkomponente der aufgelösten PLO, dar. Mit ihren Aktionen des individuellen und Kleingruppen-Heroismus (Selbstmord-Bombenanschläge, Guerillaangriffe auf israelische Soldaten und Entführungen) kann es so aussehehen, als könnten sie die Israelis treffen. Aber ihre elitäre Strategie ist kein Ersatz für Massenaktionen; sie wollen einen Deal mit dem Weltimperialismus machen, der besser für die bürgerlichen Schichten ist, die sie vertreten. Sie haben den Terrorismus als eine Taktik, Druck auf die Imperialsten auszuüben, gewählt statt die Selbstverteidigung der Massen der Arbeiter und Unterdrückten. Ihr reaktionäres Programm bietet keine Lösung für die Plagen der Arbeitslosigkeit und des Elends, die die palästinensischen Massen und Arbeiter treffen und verspricht nur schärfere sektiererische Spaltung, die nur den Interessen der Israelis und Imperialisten nutzen kann.

Ebensowenig kann der panarabische Nationalismus eine Lösung bieten, denn auch er bleibt im Rahmen der bürgerlichen Ordnung. Die Bestechlichkeit der arabischen Bourgeoisie und ihrer verschiedenen Regime zeigte sich beim jüngsten Sondergipfel der Arabischen Liga, der laut gegen Israels letzte Brutalitäten wetterte, sich aber auf keinerlei Aktionen verpflichtete. Zusagen selbst der elementarste Hilfe für die Palästinenser, wie medizinische Güter, waren minimal, ganz zu schweigen natürlich von militärischer Hilfe. Die Ausnahmen fielen durch ihren kriminellen Charakter auf -- wie im Falle des Geschäftsmanns aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, der versprach, die palästinensische Jugend zu bewaffnen -- mit Schleudern und Steinen! Die Herrscher der arabischen Welt fürchten ihre eigenes Volk, ihr Arbeiter, die brutal unterdrückt und zum Nutzen der imperialistischen Mächte, als deren Klienten die verschiedenen Regime fungieren, einer Überausbeutung ausgeliefert werden.

Die Arbeiterklasse-Lösung

Gegen den Goliath der israelischen Militärmacht und seiner US-amerikanischen Unterstützung (über 5Mio Dollar täglich nur als Militärhilfe) brauchen wir nicht mehr Davids, sondern eine revolutionäre Armee. Anstatt elitären Gruppen islamistischer Guerilleros zuzujubeln, sich auf die Polizei der Quislings-PNA in Kollaboration mit der CIA zu verlassen oder darauf zu warten, daß die korrupten arabischen bürgerlichen Regime die Massen bewaffnen, müssen sich diese Massen selbst bewaffnen und ihre Macht als Arbeiter benutzen, um den Kampf gegen den Zionismus zu organisieren.

Seit in der Intifada vor 10 Jahren Generalstreik-Aktionen die arabischen Arbeiter überall in Palästina vereinigten, haben die Israelis gezielt eine Politik der Reduzierung ihrer Abhängigkeit von arabischer Arbeit durchgeführt. Israel hat Tausende von Arbeitern aus nicht-arabischen Ländern importiert und so wachsende Arbeitslosigkeit sowohl für die israelischen Araber, hier etwa 30%, und für die in der Westbank und in Gaza -- zwischen 50 und 70% -- bewirkt. Dennoch bleibt die Arbeiterklasse, die mit dem kapitalistischen System, das sich auf die Unterdrückung der palästinensischen Massen stützt, keine gemeinsamen Interessen verbindet, die einzige Kraft, die fähig ist, das palästinensische Volk in einem Kampf für nationale Freiheit zum Sieg zu führen.

Darüber hinaus bleibt die Arbeiterklasse im regionalen Maßstab, von der millionenstarken Masse der Arbeiter in Ägypten bis zu den brutal überausgebeuteten Arbeitsemigranten auf den Ölfeldern Arabiens, als ganze sehr mächtig. Jede proletarische Erhebung im Nahen Osten würde die Hegemonie der USA über die Erdölversorgung der Welt bedrohen und deshalb mit einer imperialistischen Intervention konfrontiert sein, sowohl unmittelbar von den USA als auch von Israel. Folglich sind die Befreiung Palästinas und die palästinensische Selbstbestimmung unauflösbar mit der Emanzipation der Arbeiterklasse des Nahen Ostens und der Schaffung einer sozialistischen Föderation von Arbeiterstaaten verbunden.

Der Sieg wird die Schaffung einer internationalen revolutionären Führung, eine wiedererschaffene Vierte Internationale erfordern. Aus Arbeitern sowohl aus den unterdrückten Nationen wie auch aus solchen aus den imperialistischen Mächten bestehend würde sie für die internationale Einheit der Arbeiterklasse im Kampf gegen den Imperialismus, für die Selbstbestimmung der unterdrückten Nationen und demokratischen Rechte der Massen und gegen den Zionismus und jegliche Form reaktionären bürgerlichen Nationalismus kämpfen. Sie würde für den Neuaufbau der Weltwirtschaft auf sozialistischer Basis und so der Eliminierung der materiellen Grundlage aller Formen nationaler Unterdrückung und des Chauvinismus kämpfen.

New York, November 2000

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