Vor etwas über einem Jahr entwickelte sich weltweit die bis dahin größte Antikriegsbewegung gegen den geplanten Überfall der neokonservativen-sozialdemokratischen Bush-Blair Allianz auf den Irak und verhinderte den Krieg....nicht. Das konnte kaum anders sein, denn die herrschende Klasse und ihre Regierungen sind nicht durch Proteste und Appelle davon abzuhalten, das zu tun, was sie für notwendig für die Durchsetzung ihrer strategischen Interessen ansehen. Das strategische Interesse des US-Imperialismus und keineswegs alleine der Bush-Regierung bestand nicht nur darin, durch die Kontrolle des Irak als zweitgrößtem Erdölproduzenten den Zugang der imperialistischen Konkurrenz aus Europa und Japan zu dieser strategischen Ressource in den Griff zu bekommen, sondern auch darin, in einer Zeit, da die USA ökonomisch gegenüber ihren Konkurrenten relativ zurückgefallen sind, ihre unvergleichliche militärische Macht einzusetzen, um ihre weltweite Hegemonie als einzige verbliebene Supermacht zu unterstreichen. Die Disziplinierung unartiger Klienten wie des irakischen Regimes und vor diesem Afghanistans sollte weltweit die entsprechende Botschaft verbreiten.
Proteste sind wichtig, um in den Massen Bewusstsein zu fördern. Das faktische Verschwinden der Antikriegsbewegung im Jahre nach dem erfolgreichen Überfall weist allerdings darauf hin, dass dieser Bewegung nicht nur die notwendige Standhaftigkeit angesichts einer zumindest taktischen Niederlage fehlte, sondern dass ein nicht unerheblicher Teil von ihr auch Ziele mit dem Aggressor teilte. Das wichtigste war das der sogenannten ‘Demokratisierung’ durch den Sturz des Saddam-Regimes. Insofern die Antikriegsbewegung dabei in erster Linie nicht mit den Methoden übereinstimmt, muss man natürlich festhalten, dass die US-amerikanischen und britischen Kriegsherren besser wussten, was zur Erfüllung dieses Ziels nötig war.
Kurzum: mit Pazifismus und der Anerkennung der ‘Demokratie’ als vermeintlicher gemeinsamer Grundlage mit dem Kapitalismus unserer Epoche, also dem Imperialismus, sind dessen auf die totale Unterwerfung und Ausbeutung auch der letzten Regionen und Bereiche dieser Welt ausgerichteten Maßnahmen, darunter seine Kriege, nicht zu verhindern. Dazu ist es notwendig, alle Kräfte zu bündeln, die dem Imperialismus weltweit mit allen notwendigen Mitteln entgegentritt.
Aktuell befindet sich die Hauptfront des Kampfes gegen den Imperialismus im Irak. Dieser Kampf findet statt in Form eines vielgestaltigen zivilen Widerstands, vor allem aber auch eines bewaffneten Widerstands, was natürlich nicht bedeutet, dass jede im Irak stattfindende Gewalttat Teil antiimperialistischen Widerstands ist. Es ist offensichtlich, dass ein durch die Auswirkungen dieses Widerstands auf die US-amerikanische Öffentlichkeit erzwungener Rückzug der Besatzungstruppen ein Signal für alle antiimperialistischen Kräfte weltweit wäre. Als Leninisten treten wir deshalb heute ebenso wie vor einem Jahr für die militärische Niederlage der imperialistischen Aggressoren ein – wobei dieser Wunsch heute realistischer ist als während des Krieges zwischen den USA und dem vom Saddam-Regime schon zuvor in den Ruin geführten Irak.
Wenn wir die Niederlage der imperialistischen Besatzer im Irak auch als Teil einer Niederlage des Imperialismus weltweit wünschen, heißt das nicht, dass wir den Sieg in Form einer Machtübernahme durch die heutigen Widerstandskräfte im Irak wünschen, auch wenn das das zunächst unvermeidliche Ergebnis sein mag. Als Leninisten und Trotzkisten gehen wir davon aus, dass der Imperialismus die Epoche des Niedergangs des Kapitalismus ist, der unter dem Strich nur noch reaktionär ist. In dieser Epoche sind folglich alle sozialen und politischen Kräfte, die ihr Schicksal an die fortgesetzte Existenz des Kapitalismus binden, objektiv reaktionär. Die Arbeiterklasse ist –völlig unabhängig von ihrer numerischen Größe oder ihrem aktuellen Bewusstsein - die einzige potentiell revolutionäre Klasse der Epoche. Der eigentliche Zweck unserer Existenz als Kommunisten ist der, die Arbeiterklasse weltweit zu befähigen, als Führerin aller übrigen unterdrückten und ausgebeuteten Klassen an die Macht zu kommen, um die Grundlagen für die Auflösung der Klassengesellschaft überhaupt zu legen. Wir treten folglich nicht für die Machtübernahme irgendwelchen anderer Klassenkräfte ein.
Falls es im irakischen Widerstand überhaupt politische Repräsentanten der Arbeiterklasse gibt, so sind diese heute marginal. Die am Widerstand beteiligten dissidenten Fraktionen der mit dem Imperialismus offen kollaborierenden einst stalinistischen und nunmehr sozialdemokratischen KP unterscheiden sich von dieser nur durch ihren radikaleren Nationalismus, nicht durch eine stärkere Orientierung auf die Arbeiterklasse des Landes. Die am Widerstand beteiligten Baathisten, Nasseristen und sonstigen säkularen Nationalisten haben ebenso wenig die politischen und sozialen Interessen der Arbeiterklasse im Sinn wie die Islamisten. Auf der anderen Seite kombiniert die “Arbeiterkommunistische Partei Iraks”, die vorgibt, gerade diese Interessen zu vertreten, abstrakten teilweise ultralinken Propagandismus mit einer nur gewerkschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Praxis und bekämpft die Notwendigkeit des auch nationalen Befreiungskampfes gegen den Imperialismus, indem sie den bewaffneten Widerstand mit den Worten der Besatzer als Terrorismus denunziert. Manche politischen Freunde dieses Widerstands verabsolutieren seine objektive Bedeutung gegenüber dem Klassencharakter und der Ideologie seiner aktuellen Führung. Demgegenüber sehen die in diesem Punkt unseren deutschen ‘Antinationalen’ verwandten “Arbeiterkommunisten” nur die bürgerliche Ideologie der Führer des Widerstands und argumentieren damit gegen die Beteiligung am bewaffneten Widerstand, ohne den auch der zivile Widerstand das Ziel der Befreiung von der Besatzung nicht erreichen kann. Abstrakt halten sie ihm den Klassenkampf entgegen, statt beide Kampfformen miteinander zu verbinden.
Auf der Grundlage dieser Einschätzung verteidigen und unterstützen wir den Widerstand auch in seiner bewaffneten Form trotz seines politisch bürgerlichen Charakters ebenso wie wir das in der Vergangenheit in Fällen wie Kubas, Vietnam, Nicaragua oder Südafrika getan haben und heute in Palästina tun. Wir betonen aber gleichzeitig, dass dieser Widerstand auf Grund seines Klassencharakters nur konjunkturell antiimperialistisch ist und dem Imperialismus folglich nur taktische Niederlagen beibringen kann. Die im vergangenen August von der ‘Antiimperialistischen Koordination’ initiierte Kampagne ‘10 Euro für den irakischen Widerstand’ ruft demgegenüber faktisch zu einer politischen Unterstützung für eine formal klassenneutrale und faktisch umso bürgerliche Widerstandsfront auf, indem sie diesen Kräften Potenzen zuschreibt, die sie nicht haben. Die dem sozialen Charakter der Massenbasis des Widerstands eigenen Potenzen können jedoch nur realisiert werden, wenn ein offener ideologischer Kampf gegen ihr bürgerliches Programm geführt wird. Gleichzeitig muss sie praktisch unterstützt werden, soweit sie gegen den Imperialismus kämpft.
Um den Imperialismus strategisch zu schlagen, und damit beispielsweise auch ultrareaktionären Erscheinungen wie dem durch seine Frauenfeindlichkeit gekennzeichneten Islamismus – einem Produkt des Imperialismus - den Boden zu entziehen, muss auch der antiimperialistische Kampf unter Führung der internationalen Arbeiterklasse stattfinden. Damit die Arbeiterklasse fähig wird, ihre diesbezüglichen Möglichkeiten zu nutzen, bedarf sie einer sich aus ihr selbst rekrutierenden revolutionären marxistischen Avantgardepartei.
Die Unterstützung von Marxisten für nationale Befreiungsbewegungen und womöglich aktive Beteiligung an nationalen Befreiungskämpfen gegen imperialistische Unterdrückung – gleich unter Führung welcher bürgerlichen Kraft – ist auch eine Voraussetzung dafür, die aktuellen Irreführer der gegen die Unterdrückung durch den Imperialismus kämpfenden Massen vor diesen entlarven und eine revolutionäre proletarische Partei schaffen zu können und zur führenden Kraft werden zu lassen. Da weder die Arbeiterklasse im Irak noch in einem anderen Land alleine die Kraft hat, ihren eigenen Staat nicht nur zu schaffen, sondern auch gegen die imperialistische Aggression zu verteidigen und zum Sozialismus hin zu entwickeln, ist der proletarische Internationalismus und mit ihm der Zusammenschluss der revolutionären proletarischen Parteien in der neu zu schaffenden Vierten Internationale unumgänglich.