Am 9.11.1938 organisierten die Nazis unter dem Namen ‘Kristallnacht' im ganzen Reich antijüdische Pogrome. Das war der vorläufige Höhepunkt eines auch in der deutschen Bevölkerung verbreiteten Rassismus, den die Faschisten zu einem ihrer ideologischen Schwerpunkte gemacht hatten. Der Holocaust nach Kriegsbeginn war das logische Ende.
Der Rassismus war und ist keine deutsche Spezialität, und es gab ihn auch nicht in allen Epochen der Menschheitsgeschichte. Den alten Rìmern etwa war es egal, ob ihre Sklaven 'Barbaren' oder kulturell höher stehende Griechen waren. Erst im Kapitalismus wird der bis dahin religiöse Antisemitismus zum Rassismus. Der Rassismus ist ein unverzichtbares Merkmal des Kapitalismus insbesondere in seiner monopolistischen Phase, d.h. des Imperialismus. Daß der Antisemitismus in Deutschland unter der Nazi-Diktatur seinen bisherigen bestialischen Höhepunkt erreichte, liegt nicht daran, daß ‘die Deutschen' schon immer besonders antisemitisch gewesen wären. Deutschland war das Land mit der stärksten Arbeiterbewegung, und viele der bekanntesten Führer von KPD und SPD waren jüdischer Herkunft. Diese Arbeiterbewegung wurde erst durch die Nazis--die terroristische Partei des deutschen Kapitals--unterdrückt. Pogrome gegen Juden hatte es hier keine gegeben. Dafür, daß die faschistischen Angriffe auf Juden--und 'rassische' Minderheiten--ohne Widerstand der übrigen Bevölkerung durchgeführt werden konnten, bedurfte es nicht nur des bei dieser wie in allen imperialistischen Ländern verbreiteten latenten Rassismus, sondern auch der Zerschlagung der politischen und gewerkschaftlichen Organisationen der Arbeiterbewegung, der Atomisierung der Arbeiterklasse.
Der Rassismus ist gleichermaßen Widerspiegelung des durch den Kapitalismus erzwungenen Konkurrenzkampfes zwischen den abhängig Beschäftigten (Arbeiterklasse) und der 'Teile und Herrsche-Politik' der Kapitalisten und ihrer politischer Vertreter. Im Faschismus erlebte er seinen barbarischen Höhepunkt, weil der Faschismus eine Herrschaftsform einer Bourgeoisie ist, die sich von der Arbeiterbewegung im Inneren bedroht fühlt und sich aus der Positionrelativer Schwäche gegen die Konkurrenz anderer imperialistischer Staaten mittels des Krieges durchsetzen will. Die Schaffung einer aggressiven ‘Volksgemeinschaft' erfordert die Schaffung auch innerer Feinde. Im Falle des deutschen Faschismus waren das vorallem die Menschen jüdischer Herkunft. Sie wurden gleichermaßen zu Schuldigen am Elend des Kapitalismus wie an dessen Gegenteil, dem Bolschewismus, erklärt. Die in Wahrheit weiter ausgebeutete und unterdrückte Mehrheit der deutschen ‘Volksgemeinschaft' war nach den rassistisch Verfolgten und den im Krieg überfallenen Völkern das dritte Opfer dieser ebenso perfiden wie erprobten Herrschaftsstrategie.
Rassismus und mit ihm der Antisemitismus sind deshalb eine tödliche Gefahr in erster Linie für die Angehörigen anderer ‘Rassen' und Menschen jüdischer Herkunft, dann aber auch für die in ihrem Kampf um die eigene Emanzipation auf Einheit angewiesene Arbeiterklasse aller Nationen und ‘Rassen', und das, solange wie die Herrschaft des Kapitals andauert. Der Kampf gegen den Rassismus ist deshalb eine Voraussetzung für den Kampf für die Beendigung kapitalistischer Ausbeutung und Unterdrückung. Der Sturz des Kapitalismus, der nicht auf der Grundlage der These von irgendeiner nationalen Kollektivschuld möglich ist, ist die Voraussetzung für die Ausrottung des Rassismus.