Am 28.Juni wurde der frühere jugoslawische Staatspräsident an das UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag ausgeliefert.
Diese Auslieferung fand am Jahrestag der Schlacht auf dem Amselfeld von 1389 statt, in der die christlichen Heere der Region unter serbischer Führung von den osmanischen Truppen aufgerieben wurden und diese Region für mehrere Jahrhunderte Teil des osmanischen Reiches wurde. Die Schlacht auf dem in Kosova gelegenen Amselfeld (Kosovo Polje) hat für die serbische Nationalbewegung einen Doppelcharakter. Einerseits symbolisiert sie den Kampf gegen Fremdherrschaft überhaupt, andererseits dient sie bis heute als Rechtfertigung des serbischen Anspruchs auf diese überwiegend -- und heute fast ausschließlich -- von Albanern bewohnte Region. Daß Milosevic ausgerechnet an diesem Jahrestag an eine Institution derjenigen ausgeliefert wurde, die vor zwei Jahren ihre Herrschaft über die Region durch die Bombardierung Serbiens bekräftigten, hat eine besondere Symbolik. 1989 hatte Milosevic an gerade diesem Ort mit einer Ansprache vor einer nationalistisch aufgeheizten Menge von Serben aus dem Kosova die Basis für den weiteren Verlauf des Konfliktes zwischen der serbischen Staatsmacht und der kosovarisch-albanischen Nationalbewegung gelegt und damit den imperialistischen Mächten eine günstige Gelegenheit für ihre militärische Einmischung unter dem Deckmantel der Menschenrechte verschafft.
Es kann kein Zweifel daran bestehen, daß an den Händen Milosevis Blut klebt. Sein Regime war eines jener staatskapitalistischen Regime im Übergang zum ordinären Privatkapitalismus und erfreute sich als solches auch lange genug des Komplizentums der Imperialisten. Das änderte sich, als er sich einerseits als nicht in der Lage erwies, die Stabilität des ehemaligen Jugoslawiens zu wahren und anderseits den Prozess der Auslieferung des Landes an das primär ausländische Kapital zu behutsam verfolgte.
Sich der Opposition einer Bevölkerung bedienend, die schließlich von Korruption, Unterdrückung, Manipulierung demokratischer Rechte, der sich dramatisch verschlechternden wirtschaftlichen Lage und von einem weiteren verlorenen Krieg die Nase voll hatte, gelang es dem Imperialismus unter Einsatz beträchtlicher finanzieller Mittel einerseits und unverholener ökonomischer und politischer Erpressung andererseits, ihm ergebenere Gestalten an die Macht zu bringen. In erster Linie ist hier Ministerpräsident Djindjic zu nennen, der von den imperialistischen Medien als 'Demokrat' verkauft wird. Das hat ihn, der sich seitdem Milosevic betreffend als Kopfgeldjäger profiliert, allerdings nicht daran gehindert, die Aussetzung der Auslieferung von Milosevic nach Den Haag durch das jugoslawische Verfassungsgericht souverän zu ignorieren.
Als Marxisten wundern wir uns natürlich keineswegs darüber, daß Rechtsfragen letztlich Machtfragen sind. Es scheint dennoch angebracht zu sein, darauf hinzuweisen, daß das Haager Tribunal keine rechtmäßige Institution ist, sondern unverkennbar ein Instrument der imperialistischen Sieger'justiz', und daß vorallem auch die Auslieferung Milosevics an dieses unrechtsmäßig ist. Die Auslieferung ist ein Verfassungsbruch. Es wird abzuwarten sein, ob die Bezahlung für diesen Rechtsbruch, die am folgenden Tage von der Internationalen Geberkonferenz in Brüssel in Aussicht gestellt wurde, Jugoslawien oder auch das möglicherweise dann nur noch bestehende Serbien wirklich erreicht. Daß sie die werktätigen Massen im Land, die sowohl die Hauptopfer des vergangenen wie des gegenwärtigen Regimes waren und sind und überdies die des NATO-Angriffs von vor zwei Jahren, am allerwenigsten erreichen wird, kann allen Erfahrungen nach vorausgesetzt werden. Wenn Milosevic sich bei seiner ersten Anhörung in Den Haag der Mitwirkung an diesem Prozess mit dem Hinweis darauf verweigert hat, daß dessen Zweck nur darin bestehe, eine falsche Rechtfertigung für die Kriegsverbrechen der NATO in Jugoslawien zu schaffen, dann hat er ungeachtet aller von ihm selbst begangener Verbrechen gegen sein eigenes Volk und Nachbarvölker unzweifelhaft recht.
Das Kollaborateursregime in Belgrad ist wie es nun mal ist, und auch Milosevics Nachfolger als jugoslawischer Staatspräsident, der 'Nationalist' und 'Demokrat' Kostunica scheint dem üblichen Muster seinesgleichen folgen und trotz der ihm duch die von ihm abgelehnte Auslieferung zugefügten Demütigung an seinem Sessel kleben bleiben zu wollen.
Wichtiger als das persönliche Schicksal der Repräsentanten der einen oder anderen Ausbeuterfraktion in Serbien oder Jugoslawien ist allerdings die Tatsache der fast ungeteilten Genugtuung, die die Helden der bürgerlichen Demokratie und ihrer Hofsänger in den Medien kundgetan haben. Sie sind in einem Fall, in dem es nun wahrhaftig nicht um die Zukunft der Menschheit oder auch nur der Region zu gehen scheint (Milosivic war nicht nur längst entmachtet, sondern bereits im Gefängnis), bereit, auf grundlegende Regeln der bürgerlichen Demokratie wie der der Rolle eines Verfassungsgerichtes zu verzichten. Alle jene, die auf den Schutz auch oppositioneller Aktivitäten durch das Rechtssystem der bürgerlichen Demokratie bauen, sollten sich dieser Realität stellen. Die Rechte der bürgerlichen Demokratie sind letztlich nur zu schützen durch die Entmachtung der bürgerlichen 'Demokraten' durch die revolutionäre Arbeiterklasse.
Wir verteidigen nicht Milosevic wegen seiner selbst, aber wir sagen, daß er unter den Übeltätern dieser Welt nur einer von vielen ist und überdies ein kleiner. Er ist ein relativ kleiner Übertäter nicht wegen irgendwelcher moralischer Eigenschaften, sondern weil er ein Land regierte, daß ihm für größere Untaten nicht die ausreichende Basis bot. Ganz anders diejenigen, die auf sein unrühmliches Ende hingearbeitet und die Auslieferung erpresst haben. Diese, d.h. die gegenwärtigen Herren der Welt in den imperialistischen Ländern, zwingen nicht nur der gesamten Menscheit eine Gesellschaftsordnung auf, die seit ihrer Existenz mit Milliarden von Kriegs- und Hungertoten erkauft wird, mit Ausbeutung der menschlichen Arbeitskraft und psychischer Deformation in allen Klassen und Schichten der Gesellschaft und mit das Überleben der Menschheit bedrohender ökologischer Zerstörung. Zu ihnen gehören auch die Herren Clinton und Bush oder Blair, die etwa die irakische Bevölkerung und nicht etwa Saddam Hussein seit 10 Jahren aushungern und ständig mit Bomben belegen und die sich nun im ehemaligen Jugoslawien auf einen neuen Waffengang vorbereiten, obwohl Milosevic längst aussortiert worden ist. Milosevic und seinesgleichen sind Produkte dieses imperialistischen Systems, die -- bisweilen unbotmäßigen -- Handlanger der großen Gangsterbosse in Washington, Berlin, Paris, London und Tokyo... und in der Vergangenheit im zweiten Glied auch in Moskau.