Als die ‘Partei des Demokratischen Sozialismus' (PDS) zu den Kommunalwahlen in Bonn mit einer Liste antrat, auf der auch Mitglieder der ‘Deutschen Kommunistischen Partei' kandidierten, haben wir so getan, als nähmen wir deren Anspruch, Kommunisten zu sein, ernst. Wir haben deswegen auf den Widerspruch zwischen den von der DKP erklärten gesellschaftlichen Notwendigkeiten und ihrer Kandidatur auf der Liste einer Partei wie der PDS hingewiesen, deren Tempo der Sozialdemokratisierung sich unübersehbar beschleunigte. Es ist der PDS -- angesichts der winzigen Zahl von Marxisten in Bonn erwartungsgemäß -- gelungen, in den Stadtrat einzuziehen. Es besteht deshalb die Möglichkeit, unsere Analyse vor den Wahlen mit dem zu vergleichen, was die PDS seitdem im Rat getan hat. Die Arbeit wird uns dadurch erleichtert, daß ihr einziger Ratsherherr, Stefan Schenke -- ein Vertreter des linken Flügels der Partei und überdies nach Informationen gewöhnlich gut informierter Kreise die Person innerhalb der Bonner PDS, ohne die der Rest nichts wäre -- der ‘Null-nummer' (nr.44/1999) ein ganzseitiges Interview gegeben hat. In ihm erklärt er nicht nur seine bisherigen Aktivitäten, sondern, was noch wichtiger ist, die Logik seiner gesamten Tätigkeit.
Sowohl in diesem Interview als auch in ‘Linx + Quer' (4/99), dem Rundbrief der PDS Bonn, gesteht er, daß die PDS bezüglich der Durchsetzung von Entscheidungen auf Grund der absoluten CDU-Mehrheit im Rat chancenlos sei. Also bleibe ihm nur übrig, zu Einzelfragen gute Anträge zu stellen und zu begründen, die die CDU dann in Argumentationsnot bringen solle. Das ist nett, aber vielleicht für eine Partei, die "nicht für ein paar Silberlinge ihre sozialistische Seele verkaufen will" (L+Q), doch etwas wenig. Zu den Anträgen, die er gestellt hat, gehört der, für Sozialhilfeempfänger die Weihnachtszulage zu erhöhen, und eine Solidaritätserklärung für Mumia Abu Jamal zu verabschieden. Beides wurde auch von SPD und ‘Grünen' unterstützt und natürlich von der CDU abgeschmettert. Beide Anträge sind schön, haben aber in ein nicht-sozialistischen Konzept von parlamentarischer Arbeit eingebettet, nur einen links-bürgerlichen Charakter.
Die Regierung von Kommunen ist innerhalb des bürgerlichen Staates notwendigerweise genau so den Verwertungsgesetzen des Kapitals unterworfen wie die Regierung des bürgerlichen Staates selbst. Grundsätzliche und langfristige Verbesserungen der Lage der arbeitenden Klassen selbst innerhalb des Systems der Ausbeutung durch die Lohnsklaverei hängen deshalb vom guten Zustand der Profite des Kapitals einerseits und der Kampfkraft der Arbeiterklasse andererseits ab. Eine solche Situation ist heute nicht gegeben, und es ist mit aller Wahrscheinlichkeit auch illusionär zu erwarten, daß sie als Voraussetzung des Sozialstaates des Nachkriegsbooms noch einmal wiederkehrt. Es gibt also nicht viel zu reformieren. Darüber hinaus ist es Aufgabe der Sozialisten, den Kampf für kurzfristig mögliche Reformen zu nutzen, um das Bewußtsein der arbeitenden Bevölkerung von der Notwendigkeit, die Lohnsklaverei und also den Kapitalismus überhaupt zu überwinden, zu schärfen. Sozialisten -- wenn man darunter nicht solche vom Typ Schröder, Blair, Milosevic oder Saddam Hussein versteht -- sind deshalb im Kapitalismus stets Oppositionskraft und nicht etwa zukünftige Verwalter des Kapitalismus. Sozialisten nutzen deshalb das Parlament (und der Stadtrat ist ein solches), um die bürgerliche Demokratie als eine Herrschaftsform zur Ausbeutung und Unterdrückung der arbeitenden Klassen zu entlarven und diese zu mobilisieren.
Offensichtlich ist das aber keineswegs das Selbstverständnis des PDS-Ratsherrn. "Die linke Bewegung auf die Beine zu kriegen, das kann nicht Aufgabe eines Ratsmitglieds sein", sagt er im zitierten Interview. Wir stehen also vor der Tatsache, daß es in Bonn keine kraftvolle ‘linke Bewegung' -- was auch immer das sei -- gibt und daß die Präsenz einer vermeintlich ‘sozialistischen' Partei im Rat nicht auf deren Schaffung gerichtet ist. Mit anderen Worten: Was wir im September geschrieben haben, bewahrheitet sich Wort für Wort. Die PDS hängt in Bonn sozial in der Luft und ist keine Partei, die bereit wäre, die Bühne des Parlaments zu mehr als linksliberalen Schaukämpfen zu nutzen, wenn überhaupt.
Nun könnte man ja sagen: Gut, die PDS im Rat nutzt nicht viel, aber es schadet auch nicht. Ganz so ist es leider nicht.
Selbst verständlich erzeugt die Tatsache, daß die PDS im Rat ist, ein -- wenn auch nur wenig -- gesteigertes Interesse für das, was sie so alles zu sagen hat. Und so hätte vielleicht auch die ‘Nullnummer', obgleich sie immer schon Sprachrohr für ein Sammelsurium kleinbürgerlicher (d.h. zwischen den kapitalistischen Hauptklassen Arbeiterklasse und Bourgeoisie schwankender) Radikaler war, dem Kollegen Schenke nicht eine ganze Seite zur Verfügung gestellt. Wenn er also ‘Theorien.' vertritt, die unter dem Gesichtspunkt des -- marxistisch verstandenen -- Sozialismus nur als gefährlicher Humbug bezeichnet werden können, dann schadet die durch seine Ratspräsens gesteigerte Aufmerksamkeit der Entwicklung einer gesunden und also sozialistischen Linken durchaus.
S. Schenke läßt es sich in der ‘Nullnummer' nicht nehmen, das ‘linke' Herz mit der gefährlichen Trommelei für Einheit ohne Klarheit zu erfreuen. Er meint, es müsse, wolle man eine linke Bewegung auf die Beine stellen, klar werden, daß es viele Streitpunkte gebe, die man auf den Tag nach der Revolution vertagen könne.
Das kann im allgemeinen durchaus richtig sein, wird jedoch in dem Sinne, wie er das meint, völlig falsch. Der Ratsherr meint -- und wie schön marxistisch klingt es doch, daß er zunächst das Wort Revolution erwähnte und nun auch noch die Arbeiter: "Mit Diskussionen zur Frage, ob die kubanische Revolution sozialistisch ist oder warum wir es in Vietnam aber nicht in Chile geschafft haben, holst Du in der Bundesrepubklik nicht die Arbeiter zusammen und schaffst keine Bewegung." Das ist der übliche Dreh aller Möchtegern-Bürokraten, die vielleich die Arbeiter befreien und sich dabei zu ihrem Chef machen wollen, die aber auf jeden Fall die Arbeiter für zu dumm halten, sich über etwas anderes, als 3 oder 4 Prozent mehr Lohn, den Kopf zu zerbrechen und folglich für zu dumm, sich selbst zu befreien.
Selbstredend geht es bei dem vom Ratsherrn genannten Problem nicht in erster Linie um Castros Bart, sondern darum, was für die Linke hierzulande überhaupt ‘Sozialismus' ist, was die fortgeschrittendsten Gruppen der Arbeiterklasse dem Rest der Klasse als gesellschaftliche Perspektive empfielt und wie man dorthin kommen kann. Wer diese Diskussion über die bisherigen Erfahrungen von der Arbeiterklasse und allen Ausgebeuteten und Unterdrückten fernhalten will, will -- gleich, ob er sich dessen bewußt ist oder nicht -- keine sozialistische und revolutionäre Bewegung schaffen, sondern die Arbeiterklasse abermals als Rammbock instrumentalisieren, um bürokratische Regime von der Art der angeblich ‘realsozialistischen' und in Wirklichkeit staatskapitalistischen stalinistischen Diktaturen zu schaffen, die notwendigerweise ebenso erbärmlich zusammenbrechen müssen, wie ihre Vorgänger.
Stadtrat Schenke versucht die reformistischen Spuren des Ursprungs dieses gefährlichen, elitären und natürlich antilenistischen (Lenin: "Keine revolutionäre Praxis ohne Theorie") Unsinns zu verwischen, indem ersich als Linken innerhalb der PDS darstellt und vor der Gefahr der Sozialdemokratisierung der Partei warnt. Als Gegenmittel empfielt er nicht den politischen Kampf gegen diese Partei, sondern den Eintritt in diese. Die -- verschärfte -- ‘Sozialdemokratisierung' der PDS ist aber nicht das Ergebnis der Verschwörung übler Gysis und Bries, sondern des dialektischen Verhältnisses zwischen den reformistischen Grundlagen der Partei und der Entwicklung der gesellschaftlichen Wirklichkeit.
Der Reformismus -- auch in Form des kleinbürgerlichen Pazifismus -- ist aber eine hilflose Antwort auf die Offensive des Kapitals und der von ihm erzeugten reaktionären politischen Kräfte. Die ehrlicheren Reformisten werden in Zeiten, wo das Kapital nichts mehr zu ‘verschenken' hat, sondern im Inneren und außerhalb seiner nationalen Grenzen mit allen (auch militärischen) Mitteln die Umverteilung der Ressourcen zu seinen Gunsten erzwingen will, marginalisiert werden und greinend am Wegrand stehen bleiben. Diejenigen, die wie die wachsende Mehrheit der PDS den Mut haben, den Realitäten in die Augen zu schauen, werden weiter nach rechts rücken, wie vor ihnen die ‘Sozialdemokraten' und die ‘Grünen'.
Die objektive Rolle von Linken wie unserem Ratsherren besteht darin, den notwendigen Bruch mit dieser Entwicklung so lange wie möglich zu verhindern. Eine sozialistische Bewegung, die ihren Namen verdient, kann nur im politischen Kampf gegen die linken Reformisten geschaffen werden (was natürlich gemeinsame Aktionen für gemeinsame Etappenziele absolut nicht ausschließt).