Vergangenes Jahr (1998) habe ich die 'Internationale Sozialistische Organisation' (ISO) eine der drei politisch mit der von Tony Cliff und der britischen 'Socialist Workers Party' geführten Internationaler Sozialismus-Tendenz (IST) verlassen.
Meine erste politische Zugehörigkeit war die zur 'Deutschen Kommunistischen Partei' (DKP). Ihr hatte ich mich Anfang der 70er Jahre angeschlossen, da ich nie besonders am kultur-revolutionären Aspekt der linken Studentenbewegung interessiert war und statt dessen nach der 'echten Sache' suchte - nach einer Partei, die behauptete, Teil einer weltweiten Bewegung von Millionen von Arbeitern zu sein. Zu dieser Zeit hatte ich von Trotzki kaum etwas gehört und noch weniger einen lebenden Trotzkisten getroffen. Im Gegensatz zu anderen Ländern wie Frankreich war der Trotzkismus in Deutschland nie eine große Sache.
Nach einiger Zeit bemerkte ich, daß ich immer wieder die Praxis der DKP von links her kritisierte. Ich dachte, daß alle Mitglieder grundlegende leninistische Prinzipien vertraten und daß die Partei nur Fehler mache. Mit der Zeit jedoch befremdeten mich die Positionen, die ich als gegen die Arbeiterklasse gerichtet empfand, immer stärker. Deshalb verlies ich die Partei schließlich und konzentrierte mich darauf, für verschiedene Zeitungen und Zeitschriften zu schreiben, die der Partei nahe standen, aber unabhängiger schienen. Das gab mir größere Freiheiten, meine eingenen linkeren Positionen zum Ausdruck zu bringen.
Da ich insbesondere an 'Dritte Welt'-Bewegungen interessiert war, knüpfte ich nach meinem Austritt aus der DKP Kontakte zu Leuten, die auf dem gleichen Gebiet tätig waren. Wie viele andere hielt ich irrtümlicherweise radikale Bewegungen wie die palästinensische PFLP, die philippinische PCP/NDF/NPA und später die kurdische PKK für proletarisch-revolutionäre Organisationen.
Ich hatte mich nie sonderlich von der Realität der 'realsozialistischen' Länder angezogen gefühlt, aber als sie dann zusammenbrachen, stellte ich fest, daß ich es mir nicht länger leisten konnte, sie sozusagen zu ignorieren; ich mußte mich dafür interessieren, was dort vor sich gegangen war. Der Zusammenbruch des "Sozialismus" zwang mich, mich erneut der Frage nach der zentralen Stellung des Proletariats zuzuwenden. Ich mußte das Wesen des stalinistischen Systems als eines Feindes der Arbeiterklasse angesichts der Tatsache, daß sich die Arbeiter in Ostdeutschland bemüßigt fühlten, sich mit dem kapitalistischen Westdeutschland zu vereinigen, verstehen.
Zufälligerweise fiel mir das Buch von Tony Cliff über Rußland in die Hände und auch einige Schriften Trotzkis. Auf diese Weise lernte ich, daß einige der Ideen, die ich seit Jahren verteidigt hatte (und von denen ich eine Zeitlang dachte, das seien auch Positionen der DKP) in der Tat trotzkistisch waren; ich stieß auch auf eine Reihe von Idee, die mir neu waren, aber deren Logik ich kaum widerstehen konnte. Im Ergebnis schloß ich mich Anfang der 90er Jahre der 'Sozialistischen Arbeitergruppe' (SAG), der damals einzigen cliffistischen Organisation in Deutschland, an.
Aber die SAG wandte sich immer mehr vom Aufbau eines marxistischen Kaders zu Gunsten einer Arbeit auf einem niedrigeren politischen Niveau ab. Sie konzentrierte sich auf die Jugendbewegung, die sich zu dieser Zeit besonders mit dem Kampf gegen faschistische Gruppen beschäftigte. Die anti-faschistische Arbeit war wichtig, aber die SAG versuchte, sich in sie auf einer mehr oder weniger exklusiv 'antifaschistischen' Grundlage einzufügen, ohne revolutionäre Politik als Thema aufzubringen. Sie versuchte, schnell die Organisation aufzubauen, indem sie auf einen Zug aufsprang, der aber bereits an Tempo verlor.
Im Ergebnis entschlossen sich 1992 drei Genossen, unter ihnen ich selbst, die SAG zu verlassen und die 'Initiative Sozialistischer Internationalisten' (ISI) zu gründen. Wir hielten uns für die wahren Vertreter des Cliffismus.
Die ISI sah sich als eine Propagandagruppe, die hauptsächlich mit dem ideologischen Kampf beschäftigt war. Natürlich nahmen wir auch, wann immer sich eine Gelegenheit ergab, an Demonstrationen teil. Wir gründeten uns auf einer Kritik an der SAG und wiesen darauf hin, daß sie typischerweise Zichzackbewegungen von links nach rechts mache; so sei sie unfähig, diejenigen, die sie bei der einen Bewegung gewonnen habe, bei der nächsten Bewegung, die sie ohne Begründung in die entgegengesetzte Richtung tue, zu halten. Wir betrachteten die SAG noch immer als eine befreundete Organisation, mit der wir hofften, uns sobald wie möglich wiederzuvereinigen - d.h. wenn sie ihre falsche "Taktik" aufgäbe. Ich glaubte, daß der Cliffismus genuin leninistisch und daß nur ihre Praxis, nicht aber die Theorie, schlecht sei. Wir hatten die SAG verlassen, weil wir eine theoretisch klare Organisation aufbauen wollten, den Kern der revolutionären Partei. Wir meinten, daß die Schriften der IST unsere Ansicht stützten.
Die Krise der SAG hatte mit dem Zusammenbruch der stalinistischen Staaten begonnen. Wie andere anti-stalinistischen Linke hatte die SAG gedacht, daß sie jetzt wirklich wachsen würde. Sie hatte nicht bemerkt, und tut das bis heute nicht, daß der Zusammenbruch des Stalinismus die gesamte 'sozialistische' Linke innerhalb und außerhalb der Arbeiterbewegung in Mitleidenschaft gezogen hat. Während die meisten Linken jetzt weniger Illusionen in den Stalinismus haben, bringt sie das nicht dazu Leninisten-Trotzkisten zu werden, sondern Zyniker. Sie glauben, daß in Wirklichkeit die Arbeiterklasse gescheitert sei, und nicht ihre sozialdemokratischen, stalinistischen und zentristischen Führungen. Alles in allem trockneten die Gewässer, in denen die SAG fischen wollte, aus.
1994, als die ISI auf etwa 10 Mitglieder angewachsen war, verließ eine zweite, größere Gruppe von Genossen die SAG. Sie konnten die Entscheidung, die SAG zu liquidieren und ihre Mitglieder in die JUSOS ('Jungsozialisten', die Jugend der SPD) eintreten zu lassen, nicht akzeptieren. Das geschah zu einer Zeit als die SPD immer weiter nach rechts rückte und die Jusos weit davon entfernt waren, ein Attraktionspunkt für revolutionär empfindende junge Leute zu sein. (Zur gleichen Zeit entschlossen sich die Mitglieder der 'Militant'-Tendenz um die Zeitung 'Voran' nach vielen Jahren des tiefen Entrismus dazu, die SPD zu verlassen). Die Entscheidung der SAG war bürokratisch durchgesetzt worden; viele Mitglieder fanden erst heraus, daß die SAG liquidiert worden war, als sie aus ihrem Sommerurlaub zurückkehrten. Meines Wissens war es die SWP, die zu der Überzeugung gekommen war, daß die SAG gescheitert sei und die wahrscheinlich dachte, daß jede neue Entwicklung nach links über die sozialdemokratische Parteien gehen müsse.
Die ISI und diese Genossen vereinigten sich und gründeten die ISO. Noch immer betrachteten wir uns als die wahren Umsetzer des Cliffismus. Die entristische Fraktion, die von der SWP unterstützt wurde, wurde das 'Linksruck Netzwerk' innerhalb der Jusos.
Da die neuen Genossen unsere Kritik an der SAG 1992 nicht unterstützt hatten, hielt ich es für notwendig, schon beim Gründungskongreß darauf hinzuweisen, daß die ISO keine Zukunft haben werde, wenn sie sich nicht darum bemühe, eine wirklich leninistische Organisation aufzubauen und sich damit in Theorie und Praxis vom Rest der Linken abzugrenzen - ich war überzeugt, daß auch das der wirklichen Bedeutung des Cliffismus entspreche. Da wir in der ISI eine theoretische Zeitschrift hatten und sehr aktiv dabei waren Broschüren zu veröffentlichen, dachten wir, wir würden in der Lage sein, die größere Gruppe ideologisch zu führen. Nach einer Weile jedoch wurde es offensichtlich, daß es keinen definitiven Bruch zwischen der rechtsopportunistischen Praxis der SAG (und soweit ich es der Lektüre des 'Socialist Worker' entnehmen konnte, auch der SWP) und der der ISO gab.
Das bedeutet insbesondere die Praxis, sich der Gewerkschaftsbürokratie anzupassen und die des permanenten Wahlblocks mit den Sozialdemokraten, die den Cliffisten überall so sehr ans Herz gewachsen ist. Darüber hinaus war ihre Art und Weise, neue Mitglieder zu rekrutieren und zu erziehen, absolut minimal; sie glich der der reformistischen Parteien (abgesehen davon, daß die Cliffisten permanent aktiv sind). Wie das bei den Cliffisten stets der Fall ist, haben sie eine Theorie, die sich sehr links anhört, und eine Praxis, die das keineswegs ist. In ihren theoretischen Schriften findet man beispielsweise alle grundlegenden Einsichten des Marxismus über die Gewerkschaftsbürokratie - zurückgewiesen wird aber Lenin's Theorie de Arbeiteraristokratie, auf die sich die Bürokratie stützt. So näherten sie sich in der Praxis der gleichen Schicht an wie die Bürokraten.
Ich entfremdete mich der Organisation immer mehr und verlies sie schließlich im Juni 1995. Meine Kritik zu jener Zeit betraf die Art und Weise, in der das Programm umgesetzt wurde, und ich sah immer noch nicht die theoretische Basis für ihre rechtsopportunistische Praxis. Nach einem Jahr in der ISO spalteten sich die ehemaligen GenossInnen der ISI erneut ab, aber wiederum auf der Grundlage des selben alten Cliffismus. Die frühere ISI, die sich jetzt 'Internationale Sozialisten' (IS) nennt, war die härter-arbeitende und diszipliniertere Organisation, hielt aber mehr an der traditionellen rechtsopportunistischen Positionen fest. Die ISO war größer und schien neuen Ideen gegenüber offener zu sein - aber das war so, weil sie fast gegenüber allem eine weichere Haltung einnahm. Im Ergebnis gibt es jetzt in Deutschland drei cliffistische Organisationen: die ursprüngliche SAG, jetzt 'Linksruck', die ISO und die IS.
Nachdem ich die ISO verlassen hatte, stieß ich durch Zufall in London auf einen Genossen der LRP und kaufte ein Exemplar von 'Proletarian Revolution'. Dadurch fand ich heraus, daß die LRP gewisse historische Verbindungen zur IST hatte und eine konsequentere Kritik an dieser Strömung formuliert zu haben schien. Ich begann zu erkennen, daß die praktischen "Fehler" der Cliffisten Ausdruck ihrer generellen Mittelklasse-Sichtweise waren und daß ein sich dagegenrichtender Ansatz notwendig war, um die Welt zu verstehen und in ihr tätig zu sein.
Da ich teilweise als Ergebnis eines Zusammenstoßes mit der quasi-religiösen cliffistischen Sichtweise der Genossen, die dann die IS gründen sollten, aus der ISO ausgetreten war, machte diese dann große Anstrengungen, mich erneut zu rekrutieren. Nach vielen Diskussionen mit einem ihrer führenden Genossen dachte ich, sie seien im Begriff, sich mehr und mehr von der IST zu distanzieren. Mit Zustimmung der LRP beschloß ich, erneut einzutreten, um dabei mitzuhelfen, den Graben zwischen der ISO und dem Cliffismus zu verbreitern und um Genossen zu finden, die eventuell für die trotzkistischen Positionen der KOVI zu gewinnen wären.
Als ich im Juni 1997 in die ISO eintrat, sagte ich ihnen, daß ich die 'Politischen Grundsätze der ISO' unterstütze, nicht aber deren cliffistische Interpretation, und daß ich glaube, daß die Theorie der LRP/COFI richtig sei - beispielsweise deren Analyse der stalinistischen Staaten als solcher eines verstaatlichten Kapitalismus. Inzwischen möchte ich hinzufügen, daß diese ISO-Grundsätze auch fürchterlich schwach in Hinblick auf den Internationalismus sind, wo sie zur Solidarität mit den Arbeitern anderer Länder aufrufen, aber kein Wort über die Notwendigkeit einer revolutionären Weltparte verlieren.
Zeichen ihrer relativen Linksentwicklung waren die Tatsache, daß die ISO offen das sogenannte 'Bündnis für Arbeit' zwischen Regierung, Kapitalisten und Gewerkschaften ablehnte, während 'Linksruck' zunächst eine unklare Position dazu eingenommen hatte. Was die IS anbelangt, die natürlich die offene Klassenkollaboration in ihrer Zeitschrift kritisierte, so konzentrierte sie sich in ihrer praktischen Arbeit (so bei einer großen Gewerkschaftsdemonstration in Bonn) darauf, die Gewerkschaftsbürokratie gegen vermeintliche Angriffe seitens der Regierung zu verteidigen, während es in Wirklichkeit nur Kollaboration gab. 1997 entschied sich die ISO auch, in den anstehenden Wahlen nicht zur Wahl der SPD aufzurufen, während sowohl 'Linsruck' als auch IS ungeachtet ihrer Kritik an der arbeiterklassenfeindlichen Politik der SPD die traditionelle cliffistische Linie beibehielten. Die ISO sagte allerdings nicht "Wählt nicht SPD!", sondern rief statt dessen nur auf, gegen die amtierende konservativ-liberale Regierung zu stimmen, und stellte es somit frei, für welche andere arbeiterfeindliche Partei die Arbeiter denn stimmen sollten.
Nach einem Jahr der Mitgliedschaft mußte ich mich der Tatsache stellen, daß sich am zentristischen Charakter der ISO nichts geändert hatte, wenngleich sie die am weitesten links stehende IST-Gruppe in Deutschland war. Bei all ihren linken Reden konnte sie dennoch keine revolutionäre Linie verfolgen.
Ein Beispiel: ein ISO-Führer hatte im Juni 1997 einen Artikel über den Kongo geschrieben, der dem bürgerlichen Kabila-Regime politische Unterstützung gab. Kabila's Machtübernahme wurde als "demokratische Revolution" bezeichnet, die Marxisten unterstützen müßten. Dieser Artikel warnte gleichzeitig vor der "Gefahr", daß führende Kader der Rebellen eine neue "bürokratische Oberschicht" bilden würden. (Zur COFI-Analyse s. PR 55). Ich schrieb einen Brief an die Zeitschrift ('Linke Offensive') und wies darauf hin, daß nichtproletarische Revolutionen unter dem Imperialismus nicht einmal das demokratische Programm durchführen könnten und daß die Absorbierung der Rebellen in die herrschende Klasse unvermeidlich sei und eine proletarische Revolution deshalb der einzuge Ausweg. Die ISO-Führer unterstützten daraufhin öffentlich meine Position.
Das bedeutete aber nicht, daß sie irgend etwas verstanden hätten. Ein Jahr später erschien ein Artikel über Indonesien, in dem die 'People's Democratic Party' (PRD) gelobt wurde, weil sie Suharto als ein "Werkzeug des Imperialismus" bezeichnet habe und für die Unabhängigkeit von Ost-Timor eintrete, in dem aber nichts über die Volksfront-Strategie der PRD gesagt wurde, mit der Arbeiter und Bauern an die Anti-Suharto-Bourgeoisie gekettet werden. Theoretische Fragen wie die der Permanenten Revolution, bedeuten der ISO-Führung, obgleich sie immense praktische Implikationen haben, offensichtlich nichts.
Darüber hinaus akzeptiert die ISO die cliffistische Standardanschauung, daß, offen gegen andere linke Organisationen zu polemisieren, Sektierertum sei. So hat sie niemals irgendeinen Artikel entweder über 'Linksruck' oder die IS veröffentlicht, um zu erklären, weshalb es im Land drei cliffistische Gruppen gibt. Ich habe auf die Aufforderung der ISO hin eine scharfe Kritik an der populistischen Parole von Linksruck "Millionäre besteuern!" geschrieben, aber er wurde nicht veröffentlicht - und zwar ohne Erklärung (die ISO hat bis heute auch keinen anderen Artikel zu diesem Thema veröffentlicht). Mit einer solchen Haltung kann die ISO ihre eigenen Mitglieder nicht in die Lage versetzen, irgendeiner ernsthaften ideologischen Herausforderung standzuhalten.
Die ISO tendiert dazu, gegenüber anti-leninistischen Stimmungen auf der Linken opportunistisch zu sein. Beispielsweise wird Rosa Luxemburg von Liberalen oft als Vertreterin der Arbeiterdemokratie gegenüber dem 'autoritären Leninismus' dargestellt, obwohl das kaum der wirkliche Unterschied zwischen beiden ist (s. 'Lenin, Luxemburg and the Party' in 'Workers Revolution' No.1 und auf Deutsch in 'KOVI-Dokumente' Nr.2). Die ISO-Führung hat einen Artikel über Luxemburg veröffentlicht, in dem nicht ein Wort über die Auseinandersetzungen zwischen ihr und Lenin über derart zentrale Fragen wie das nationale Selbstbestimmungsrecht, die bolschewistische Agrarpolitik oder die Theorie des Imperialismus enthalten ist.
Ein weiteres Beispiel für diesen Opportunismus ist ein Artikel aus der Feder eines ISO-Führers mit dem Titel 'Was ist eine sozialistische Revolution?' - In ihm wird die revolutionäre Avantgardepartei nicht einmal erwähnt. In diesen beiden Fällen schrieb ich - ein regelmäßiger Autor für die ISO-Publikationen - lange Briefe und erklärte, was falsch ist. Die ISO-Führer antworteten nicht einmal, und das zeigt, daß sie keine Notwendigkeit sahen, wenigstens die Mitglieder der eigenen Organisation zu überzeugen.
Ein Zeichen, das zunächst hoffnungserweckend zu sein schien, war die Erklärung der Führung auf dem Kongreß der Organisation vom November 1997, daß sie vorhabe, Kontakte mit anderen Organisationen aufzunehmen als denen der cliffistischen IST - eine Idee, die ich natürlich willkommen hieß, da das der Möglichkeit von Diskussionen mit der und über die KOVI eröffnen würde. Die Führung war aber besonders daran interessiert, die 'New Socialist Group' (NSG) zu kontaktieren, eine rechte Abspaltung von der kanadischen ISO. Ich schrieb eine längere Kritik an der NSG, um dem Enthusiasmus der ISO-Führung etwas entgegenzusetzen. Abermals blieb meine Kritik unveröffentlicht - in der Tat gab es in den gesamten sieben Monaten seit dem Kongreß kein 'Internes Bulletin' mehr. Ich mußte daraus schließen, daß die Öffnung gegenüber Nicht-IST-Gruppen keinen Bruch mit dem Cliffismus darstellte, sondern eher ein Hinweis verstärkter ideologischer Aufweichung und Öffnung nach rechts war.
Der Cliffismus in seiner 'linken' Form stützt sich auf die zentristische Interpretation des Begriffs der Spontaneität, eine Theorie, die der revolutionären Partei lediglich eine organisatorische Rolle zugesteht und sie nicht als ein Organ des Kampfes für die politische Führung der Arbeiterklasse sieht. Die ISO orientiert auf kämpferische Linke auf der aktuellen Ebene ihres Bewußtseins und kämpft nicht dafür, dieses zu verändern. Sie konzentriert auf 'Aktion', um die Ausbildung der Kader herunterzuspielen - eine Praxis, die insbesondere heute tödlich ist, wo die wichtigste Aufgabe die ist, Kader politisch auf die Zeit vorzubereiten, in der es eine starke Aufwärtsentwicklung von Klassenkämpfen gibt. Die ISO hat ihre theoretischere Zeitschrift 'Internationaler Sozialismus' (obwohl sie als theoretische Zeitschrift nicht sehr ernst zu nehmen war) aufgegeben und publiziert weiterhin eine Zeitung, die sich meistens wie eine Art linkes Schülermagazin liest.
Das Fehlen eines Internen Bulletins war bezeichnend für die Krankheit der ISO. Es bedeutete, daß es für die Mitglieder keine Möglichkeit gab, interne Diskussionen zu initiieren oder an ihnen teilzunehmen, und daß die ISO deshalb nicht wirklich demokratisch-zentralistisch sein konnte, da eine der Bedingungen für Parteidemokratie die politische Diskussion unter all ihren Mitgliedern ist. Das Fehlen interner Diskussion zeigt, daß die revolutionären Ansprüche der ISO nur eine Vorspielung falscher Tatsachen sind, denn eine marxistische Organisation verlangt die Auseinandersetzung über Ideen, um lebendig bleiben zu können. Ich war insbesondere von der Abwesenheit des Internen Bulletins betroffen, da dieses auf Grund meiner geographischen Isolation von anderen ISO GenossInnen das Mittel war, das ich zu nutzen gedachte, um neue Ideen und Kritiken der cliffistischen Theorien einzubringen.
Die Geschichte hat gezeigt, daß eine Organisation, die nicht auf einem klaren theoretischen Verständnis aufgebaut wird, in einer revolutionären Situation keinerlei Wert haben wird, ganz egal wie groß sie ist - in der Tat wird sie sich als Hinderniß auf dem Weg der Arbeiterklasse erweisen. Es war klar, daß ich nur unter der Fahne der KOVI, der von der LRP geführten internationalen Tendenz, revolutionäre Arbeit machen konnte.
Die allgemeine Situation in Deutschland ist noch immer ziemlich ruhig. Die Linke ist, während sie sich in der Mitte einer inneren Krise befindet, noch nicht mit größeren sozialen Unruhen und also mit der Notwendigkeit, klare Entscheidungen zu treffen, konfrontiert. Die erste Entscheidung, die die ISO machen muß, könnte kommen, wenn die 'Linksruck'-Gruppe - wahrscheinlich mit einer Menge mehr Mitgliedern aber noch weniger Kaderbildung als die ISO - einen Linkschwenk macht, sobald sie die SPD verlassen hat. Da die ISO ideologisch nicht mit dem cliffistischen Zentrismus gebrochen hat, wird sie dann keinen Grund haben, sich nicht mit 'Linksruck' wiederzuvereinigen. Sobald aber politische Massenkämpfe ausbrechen, wird die IST kaum ihre Einheit wahren können. Wenn die Mitglieder keim solides politisches Verständnis haben, werden sie durch den Ausbruch von Kämpfen in verschiedene Richtungen getrieben werden.
Heute ist eine Reihe revolutionär gesinnter GenossInnen von der IST angezogen worden, weil sie eine der größten linken Tendenzen ist, Arbeitermilitanz betont und trotz ihrer langzeitlichen Unterstützung für sozialdemokratische Parteien anti-parlamentarische Gefühle zum Ausdruck bringt. Es ist nötig, international eine authentisch proletarisch-revolutionäre Strömung zu etablieren. Eine ihrer Aufgaben besteht darin, den Cliffismus und seine radikal klingenden Kompromisse mit dem Reformismus zu bekämpfen.
(aus: 'Proletarian Revolution' No.58, New York, winter 1999)